Afrika für Campino

Egal ob Hungersnöte, Kriege, Genozid oder Epidemien, nichts kann Menschen davon abhalten, selbst aus den verheerendsten Katastrophen und größten Tragödien noch Profit für sich herauszuschlagen. Damit sind aber nicht nur Menschen- und Waffenhändler oder Potentaten und Kriegstreiber gemeint. Wann immer es Leid, Not und Elend auf der Welt gibt, sind wie die Aasgeier auch die notorischen Mahner, die Berufshelfer, die stets Gutmeinenden und die moralischen Erpresser zur Stelle, um Gerechtigkeit, Solidarität und vor allem Geld einzufordern.

Darunter gibt es natürlich etliche, vor allem jene, die sich nicht penetrant ins Rampenlicht drängen, die aus echter Überzeugung heraus handeln. Viele andere meinen es zwar gut, aber vor allem mit sich selbst. Sie leben oder profitieren vom Leid anderer, nutzen es zu ihrem eigenen Vorteil und das unter dem Deckmantel von Menschlich- und Selbstlosigkeit. Solche Menschen trifft man zum einen in der wild wuchernden Asyl- und Sozialindustrie, zum anderen in der Medien-, Show- und Unterhaltungsbranche. Hier benötigt man kranke, verfolgte oder hungernde Menschen für eine gute PR-Strategie, für das eigene Image und die Karriere und damit als indirekte Geldquelle. Das klingt nicht nur widerlich und zynisch, das ist es auch.

Ein Paradebeispiel für diesen Typus und quasi der Erfinder dieses Geschäftsmodells ist Bob Geldof. Der Ire fällt Anfang der 1980er Jahre in ein Karriereloch und hat schließlich eine geniale Idee: „Band Aid“. Internationale Popstars singen gemeinsam das schmalzige Weihnachtslied „Do They Know It’s Christmas?“ für einen guten Zweck. Der Song wird ein Hit, die Aktion macht Bob Geldof endlich berühmt, für die Hungernden in Afrika fällt etwas Geld ab und Nachahmerprojekte schießen wie Pilze aus dem Boden, von „USA for Africa“ über „Austria für Afrika“ bis zum „One World Project“. Jeder, der eine Gitarre halten kann, kämpft plötzlich für die Unterdrückten und Hungernden auf dieser Welt.

Geldofs Geschäftsmodell macht Schule und hat sich vor allem bei alternden Stars, bei Künstlern, deren Karriere nicht mehr so richtig läuft oder bei Musikern, die ein neues Album oder eine Tour promoten müssen, als preisgünstiges PR-Tool bewährt. Gemeinsam mit Kollegen, die ebenfalls einen kleinen Karrierekick brauchen, kann man mithilfe von Charitykonzerten, Charitysongs, rührseligen Interviews und Presseterminen, trotz sinkender Popularität und steigender Bedeutungslosigkeit, noch ein mehr oder weniger großes Publikum erreichen. Ein karitativer Karriereturbo und allemal besser, sich als guter, hilfsbereiter und edler Mensch zu präsentieren, als Maden oder Känguruhoden in irgendeiner Ekelshow für C-Promis verspeisen zu müssen.

Das eine ist nur kulinarisch, das andere moralisch zweifelhaft. Egal, es erhöht die Bekanntheit, bringt Sympathiepunkte und diejenigen, um die es eigentlich gehen sollte, spielen dabei nur eine Statistenrolle. Sie dürfen sich dankbar mit den Stars ablichten lassen. Sie sind lediglich Mittel zum Zweck.

Wahre Meister dieser unwürdigen PR-Strategie sind Bono von U2 und Campino von den Toten Hosen. Die penetranten Rockopas, die immer mehr Accessoires und Verkleidungen benötigen, um noch irgendwie als cool durchzugehen, setzen sich immer dann mit erhobenem Zeigefinger und besorgter Miene in Szene, wann und wo immer Menschen in Not geraten. Erst vor kurzem haben Campino und Claudia Roth, die deutschen Meister der moralischen Erpressung, eine Reform der „menschenunwürdigen" europäischen Flüchtlingspolitik gefordert.

Die sei für Herrn Campino nämlich unerträglich. Der traut sich was, so kann auch ein angepasster politisch-korrekter Streber sein Image als unbequemer Revoluzzer pflegen und das, ohne sich anstrengen und ohne etwas von seinen Millionen abgeben zu müssen. Ein paar hohle Phrasen aus dem breiten Repertoire der Gutmenschen reichen da völlig aus. Zumindest bisher.

Denn mittlerweile gehen die alternden Popstars mit ihrem oberlehrerhaften und moralinsauren Getue immer mehr Menschen einfach nur noch auf den Geist. Das Geschäft mit der moralischen Erpressung läuft nicht mehr so rund wie bisher. Vor allem, wenn das altruistische Getue schwerreicher Entertainer ihre wahren Absichten kaum noch verbergen kann.

Bob Geldof hat sich jetzt mit seiner Neuauflage von „Band Aid“ eine blutige Nase geholt. Als Vorwand für das Wir-retten-die-Welt-Spektakel kam dem Charityking Ebola gerade recht. Doch die meisten echten Stars, wie etwa Adele, haben Geldof einen Korb gegeben und prominente afrikanische Künstler haben das Projekt als kontraproduktiv und scheinheilig bezeichnet.

Weshalb nun auch die biederen politisch-korrekten Mainstream-Medien in Deutschland über „Band Aid 30“, Geldof und Campino, der für die deutsche Version des Charitysongs verantwortlich ist, lästern dürfen.

Doch die Häme und die Kritik greifen zu kurz, Geldof und Campino sind mit ihrem Band-Aid-Projekt ja nur der schrillste poppige Auswuchs des westlichen Gutmenschentums, das Menschlichkeit und Solidarität immer nur heuchelt und für eigene Ziele und den eigenen Vorteil missbraucht und instrumentalisiert.

Sobald jemand Solidarität und Gerechtigkeit einfordert, egal ob ältlicher Unterhaltungssänger, NGO-Keiler oder linker Politiker, ist höchste Vorsicht geboten. Sie wollen immer nur unser Geld, unsere Leistung, Aufmerksamkeit, Freiheit oder unsere Rechte. Aber es ist zumindest ein Anfang, wenn Menschen wie Campino (was für ein lächerlicher Clownname für einen über 50jährigen Mann), die diese Schmierenkomödie bisher so meisterhaft beherrscht haben, plötzlich nicht mehr ernst genommen und kritisiert werden. Jetzt muss man nur noch ein, zwei Schritte weiterdenken.

Werner Reichel ist Journalist und Autor aus Wien. Kürzlich sind seine neuen Bücher „Die Feinde der Freiheit“ und „Das Phänomen Conchita Wurst: Ein Hype und seine politischen Dimensionen“ erschienen.

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