Staatsversagen in Reinform: Die Unsicherheit nimmt zu

Wenn du nichts kannst und du nichts bist, dann geh und werde Polizist! Selten hatte dieser alte Kalauer mehr für sich als im Lichte der aktuellen Ereignisse um eine haarsträubende Panne im kakanischen Innenministerium. Dort hat man es fertig gebracht, zwei Terabyte sensibelster Inhalte einer Datenbank vor dem eigenen Zugriff zu sichern. Die Ressortchefin, die „Her-mit-der-Marie“-Gewerkschafterin Mikl-Leitner, vergleicht die Situation mit dem „Verlegen eines Safeschlüssels“.

Putzig. Der leidgeprüfte Steuerzahler kann sich bereits ausmalen, was nun folgen wird: Hochbezahlte Fachleute aus Übersee werden anreisen, um die heimischen Beamten in jene dunklen Geheimnisse einzuweihen, die zum erfolgreichen Betrieb einer EDV-Anlage nun einmal erforderlich sind. Der stark unterbelichtete Inspektor Schrammel aus der Kultfernsehserie „Kottan ermittelt“ erscheint, verglichen mit real existierenden österreichischen Polizisten, wie Sherlock Holmes…

Wer einer privaten Sicherheitsfirma einen Auftrag erteilt, bekommt die vereinbarte Leistung. Sei es ein Nachtwächter, ein zu bestimmten Zeiten seine Kontrollgänge vornehmender mobiler Wachmann, ein Leibwächter oder ein Warenhausdetektiv. Zahlung gegen vereinbarte Lieferung – wie es sich unter Vertragspartnern in einer rechtsbasierten Gesellschaft gehört.

Keiner dieser von einem Privaten oder einer Firma beauftragten Sicherheitskräfte wird es einfallen, Aktivitäten zu entfalten, die außerhalb des geschlossenen Vertrages liegen. Riskierte sie damit doch ihre sofortige Kündigung. Werden die vereinbarten Dienstpflichten von der Sicherheitsfirma verletzt, verliert sie nicht nur einen Kunden, sondern wird darüber hinaus schadenersatzpflichtig. Die Vorstellung, dass private Anbieter von Sicherheitsdienstleistungen sich aktiv gegen die Interessen des zahlenden Kunden wenden und ihm absichtlich schaden könnten, ist daher gänzlich abwegig.

Wie aber verhält es sich mit den Leistungen des Staates – des territorialen Gewaltmonopolisten und Sicherheitsproduzenten Nummer eins? Der erhebt von seinen Insassen schließlich happige Tribute, um ihnen dafür im Gegenzug Sicherheit zu versprechen. Er reklamiert für sich sowohl die Gewährleistung der Sicherheit seiner Bürger nach außen (durch das Militär), als auch im Inneren (mittels Polizei).

Wie lässt uns Geheimrat Goethe durch den Mund Mephistos wissen: „Grau, teurer Freund, ist alle Theorie“. Staatliche Sicherheitsproduktion? Das war gestern. Deren erster Aspekt – die Landesverteidigung – ist so gut wie abgeschafft. Moderne, schwere Waffen? Eine Luftraumverteidigung, die ihren Namen verdient? Effektive Grenzsicherungskapazitäten? Eine nennenswerte Zahl von Antisabotagespezialisten? Fehlanzeige.

Einer bereits im Lande befindlichen Fünften Kolonne oder einem äußeren Aggressor, der mit robusteren Aktivitäten droht als dem Werfen von Wattebäuschchen, hat der Staat wenig entgegenzusetzen – und selbst das nur zu den paar Stunden des Tages, an denen seine Beamten amtszuhandeln geruhen. Ein Militär, dessen Dienstzeiten nach Beamtendienstrecht geregelt sind, dürfte auf der Welt einmalig sein. Der Alpenrepublikaner steht anno 2014 somit vor der kaum glaublichen Tatsache, dass die Landesverteidigung sich in einem vergleichsweise noch mieseren Zustand befindet als vor hundert Jahren, als der Große Krieg begann und die k.u.k. Monarchie sich auf den Weg zu ihrem Untergang aufmachte…

An dieser Stelle geht es indes um die innere Sicherheit: Wie effektiv beschützt uns der vermeintliche Freund und Helfer vor denjenigen, die sich nicht ums Recht scheren? Gar nicht, wird derjenige antworten, der bereits zum Opfer krimineller Handlungen wurde. Denn der weiß, dass immer dann, wenn man einen Polizisten braucht, keiner da ist. Polizei ist – das liegt in ihrem Wesen – niemals zur Tatzeit am Ort des Geschehens. Sie kommt immer erst post festum und taugt allenfalls zur Schadensdokumentation. Im Fall einer akuten Bedrohung jedenfalls ist sich jeder selbst der Nächste.

Diese Tatsache dämmert offensichtlich immer mehr Geschäftsleuten, wie man unschwer an der rasanten Zunahme der Zahl privater Sicherheitswachleute erkennen kann. Kaum ein Uhren- und Schmuckgeschäft in den Innenstädten, das sich keine (gut bewaffneten) Wächter leistet. In den letzten Jahren gehäuft auftretende Raubüberfälle, die – vom Gewaltmonopol unbehelligt – über die Bühne gehen konnten, haben ihre Wirkung nicht verfehlt. Wer sich selbst, sein Eigentum und seine Kunden in Sicherheit wissen will, darf nicht auf den Staat vertrauen, sondern muss selbst vorsorgen.

Dem Auftraggeber erwachsen damit die doppelten Kosten. Einmal für die (mit unbewaffnetem Auge nicht erkennbaren) „Leistungen“ der Polizei und einmal für diejenigen, die ihn wirklich beschützen. Ein Phänomen, das allerdings auch im Bildungs- und Gesundheitswesen allgegenwärtig ist: Wer sich mit den kläglichen Leistungen der Staatskolchosen nicht begnügen kann oder will, muss eben zweimal zahlen.

Der Gewaltmonopolist kommt also seiner vornehmsten Pflicht – der Sicherheitsproduktion – nicht (mehr) nach. Daran ändern die schöngefärbten Statistiken nichts, die von seinen Bütteln produziert und von willfährigen Meinungsmachern kolportiert werden. Im gleichen Maße, in dem der Leviathan immer aggressiver in die Privatangelegenheiten seiner Bürger eindringt, vernachlässigt er seine Kernaufgabe. Wir haben es mit der unausweichlichen Konsequenz einer „imperialen Überdehnung“ im Inneren zu tun: Wenn der Staat meint, sich um alles kümmern zu müssen, versagt er am Ende an allen Fronten.

Immerhin 30.000 Polizisten – das ist die Mannschaftsstärke von drei Infanteriedivisionen – stehen dem österreichischen Ministerium für Liebe zur Verfügung. Eine beachtliche Zahl. Allerdings ist nur der geringste Teil davon – wie schon in Orwells Roman 1984 – damit beschäftigt, zu tun, was dem Bürger nutzt und wofür er sie bezahlt. Anstatt sich um die Machenschaften Krimineller zu kümmern (was naturgemäß gewisse Unannehmlichkeiten mit sich bringt), befasst sich der Großteil von ihnen damit, seinen unbescholtenen (und – noch – zu keiner Gegenwehr bereiten) Financiers nachzustellen.

Sie drangsalieren telefonierende Autofahrer, das falsche Kraut konsumierende Raucher, Menschen, die ehrlich verdientes Geld ins Ausland schaffen wollen, Bürger, die so leichtfertig waren, der Behörde den legalen Besitz einer Schusswaffe zu melden, und viele andere redliche Menschen, die keinen anderen Wunsch haben, als in Ruhe gelassen zu werden.

Was für eine bittere Ironie, dass der Bürger für das ihm abgepresste Steuergeld nicht nur nicht bekommt, wofür er bezahlt, sondern dass die von ihm zwangsweise finanzierten Schergen sich auch noch aktiv gegen ihn wenden. Drastischer als am Beispiel der Sicherheitsproduktion könnte der himmelhohe Unterschied zwischen Staat und Privat gar nicht gezeigt werden: Der private Sicherheitsanbieter liefert maßgeschneiderte und – dank eines qualitätsfördernden Wettbewerbs – preiswerte Leistungen. Sein Kunde entscheidet selbst über das Ausmaß des gewünschten Sicherheitspaketes. Anbieter, die auf Dauer nicht wunschgemäß liefern, verschwinden vom Markt.

Der staatliche Gewaltmonopolist dagegen tut was er will, ohne dass seine Zwangsklienten auch nur das kleinste Wörtchen mitzureden hätten. Denn die können ihm und seinen täglich anmaßender werdenden Geldforderungen ja nicht entgehen. Der Staat setzt – einseitig – die Kosten dessen fest, was er für Sicherheit hält, und zwingt die Bürger, nötigenfalls mit Waffengewalt, zur Annahme seines minderwertigen Angebots. Eine Kündigung ist nicht vorgesehen, denn schließlich existiert zwischen Ihm und dem Bürger ja kein Vertrag, wie es im Verhältnis von Privatleuten in einer Rechtsgesellschaft der Fall ist. Der Staat setzt seine Sicherheitsbeamten daher bevorzugt zum Schutz seiner eigenen Interessen und Funktionäre ein, kaum aber zum Nutzen und Frommen der tributpflichtigen Untertanen.

Hartnäckige Staatsverehrer und deren Herolde in den Massenmedien sind stets schnell mit der Diagnose „Marktversagen“ zur Hand, wenn irgendein Gut von privaten Anbietern nicht in unbegrenzter Menge und zu von ihnen als „leistbar“ erklärten Kosten bereitgestellt wird. Das ist natürlich blühender Unsinn. Ein Markt ist eben kein Sozialamt. Auf einem freien Markt wird indes jede kaufkräftige Nachfrage – und zwar ohne den Einsatz oder die Androhung von Zwangsmaßnamen – befriedigt.

Marktversagen existiert nur in der Phantasie autoritärer Narren. Die vom Staat erbrachte Nullleistung im Bereich der Sicherheitsproduktion dagegen ist der Inbegriff eines Staatsversagens. Wenn der Staat es aber nicht einmal mehr schafft, die einzige Aufgabe zu erfüllen, für die er einst erfunden wurde – weshalb entsorgen wir ihn dann nicht auf dem Misthaufen der Geschichte?

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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