Ökosoziale Marktwirtschaft: Auf der Suche nach dem Dritten Weg

Das nicht mehr ganz taufrische Konzept der „ökosozialen Marktwirtschaft“ steht im Mittelpunkt einer Podiumsdiskussion in der Politischen Akademie der ÖVP. Unter der Regie ihres Präsidenten, Werner Fasslabend, stellt Josef Riegler, Ex- Landwirtschaftsminister und Vizekanzler der Regierung Vranitzky III, seine Vorstellungen dieses bereits in den 1990er-Jahren entwickelten Programms vor. Als zweiter Redner auf dem Podium fungiert Gottfried Haber, an der Universität Krems lehrender Volkswirt, der zuletzt als aussichtsreicher Kandidat für die Position des Finanzministers gehandelt wurde.

„Leistungsfähig, fair und nachhaltig“ sei es, jenes Konzept, das die goldene Mitte zwischen freier Markt- und Planwirtschaft markiere. Mehr „soziale Gerechtigkeit“ solle damit verwirklicht werden. Die gegenwärtigen Herausforderungen, wie etwa der Klimawandel, oder die sich weltweit öffnende Schere zwischen Arm und Reich, verlangten nach globalen Antworten. Die Ökosoziale Marktwirtschaft sei jenes „Universalkonzept“, das diese Antworten zu geben imstande sei. Es beinhalte die Internalisierung externer Kosten – zum Beispiel jene der Umweltverschmutzung. Es werde das „ökologisch Richtige“ fördern.

Die Verwirklichung des Konzepts lebe von der Beteiligung aller. Der Einzelne könne im eigenen Umfeld viel bewirken: Durch überlegtes Einkaufen, sparsamen Umgang mit Energie, etc. Der „ökologische Fußabdruck“, müsse kleiner werden. Für die Unternehmen gelte dasselbe.

Die Gemeinden sieht Riegler in einer Schlüsselposition. Hier könne am meisten in Richtung Ökologisierung des Wirtschaftens getan werden. Der Staat schließlich solle mit einer sozial und ökologisch orientierten Steuerreform lenkend eingreifen, wobei auf eine ausgeglichene Haushaltsführung zu achten sei. Auf der Ebene der EU wären durch den Vertrag von Lissabon die notwendigen Grundpfeiler einer ökosozialen Ausrichtung der Union bereits errichtet. Weltweit schließlich bedürfe es „fairer Regeln“ („Global Governance“), die auch einzuhalten seien.

Speziell im Hinblick auf die „Klimaziele“ sei es bedauerlich, dass die Hauptproduzenten von Treibhausgasen, die USA, China und Kanada, abseits stünden. Es bedürfe eines neuen ordnungspolitischen Ansatzes, um der weltweiten Probleme im Hinblick auf die Klimaänderung Herr zu werden. So etwa brauche es „faire Energiepreise“. Die Steuern auf Energieträger seien zu niedrig. Finanztransaktionssteuern wären hilfreich, könnten allerdings nur international akkordiert eingeführt würden. Der Kampf gegen das „Krebsübel der Steuerhinterziehung“ sei zu forcieren, „Steueroasen“ seien trockenzulegen.

Internationale Organisationen, wie UNO, IWF und WTO seien zu stärken. Die entscheidende Frage laute letztlich: „Politik oder Diktatur der Konzerne?“ Letzterer sei durch ein „konstruktives Miteinander“ auf politischer Ebene zu begegnen.

Hausherr Werner Fasslabend stellt fest, dass Europa mit sieben Prozent der Weltbevölkerung zwar 20 Prozent der Weltwirtschaftsleistung erbringe, zugleich aber für 50 Prozent aller Sozialleistungen aufkomme. Inwieweit dieser Zustand im globalen Wettbewerb dauerhaft gehalten werden könne, sei die Frage…

Um seine Meinung zur ökosozialen Marktwirtschaft gebeten, ist Haber bemüht, geschickt zwischen Markt und Plan zu lavieren. Es gehe einerseits um Nachhaltigkeit – ein lobenswerter Ansatz – im Grunde aber jedenfalls um Marktwirtschaft, weil klar wäre, dass sie einer geplanten Ökonomie überlegen sei. Das Adjektiv „ökosozial“ bedeute seiner Meinung nach einen Pleonasmus, da Nachhaltigkeit im Zentrum jeder Marktwirtschaft stehe.

Wesentlich seien die Spielregeln, nach denen (weltweit) gewirtschaftet würde. „Reiche“ Staaten (wie die USA) dürften dabei nicht ausscheren. Allerdings dürfe man auch nicht übersehen, dass manche Volkswirtschaften bereits am Rande ihrer Belastungsfähigkeit angelangt seien. Preise sollten tatsächlich alle Kosten widerspiegeln.

Ein „ökosoziales“ Konzept verbiete nicht jede Umweltverschmutzung, es belaste nur deren Verursacher mit den entsprechenden Kosten. Zur Umsetzung müsste an den „Systemschnittstellen“ gearbeitet werden. Ohne weitgehende internationale Vereinheitlichung der Rahmenbedingungen – unter strikter Wahrung des Subsidiaritätsprinzips – gehe es nicht.

Résumé: Der Begriff Ökosoziale Planwirtschaft würde der Wahrheit deutlich näher kommen. Bereits vor vielen Jahrzehnten stellte Ludwig Mises fest, dass es illusorisch ist, einen „Dritten Weg“ zwischen Markt und Plan zu suchen: Tertium non datur. Ein bisserl schwanger sein ist unmöglich. Jeder noch so gut gemeinte Versuch, den Markt „bändigen“ zu wollen, führt zunächst zu nicht beabsichtigten Resultaten und in der Folge in eine Interventionsspirale. Am Ende steht eine völlig ineffiziente Kommandowirtschaft.

Jedes von Riegler gesprochene Wort, das, mit F. A. Hayeks Worten, auf eine „Anmaßung von Wissen“ hinausläuft, steht dieser Erkenntnis entgegen. Was soll „sozial gerecht“ bedeuten – außer: ein anderer zahlt – eine Umverteilung von Produktiven zu Unproduktiven? Was ist „ökologisch richtig“ und wer legt das fest? Wer soll die Hunderttausendschaften von ganz und gar unproduktiven Regulatoren und Kontrolleuren bezahlen, die vom Elfenbeinturm aus täglich neue Regeln ersinnen, mit denen sie arbeitenden Menschen das Leben schwer machen? Soll die Schaffung einer globalen Steuerwüste tatsächlich ein wünschenswertes Ziel sein? Haarsträubend!

Marktwirtschaft funktioniert ohne Prädikate! Sie basiert auf privatem, nicht auf öffentlichem Recht und auf Vertragsfreiheit. Rieglers Utopien jedoch nehmen privaten Akteuren jeden Spielraum. Hier wird von einer allwissenden und allmächtigen Zentralbürokratie (am Ende einem Weltstaat unter UNO-Fuchtel?) dem Bürger jeder einzelne seiner Schritte oktroyiert. Privateigentum und Freiheit sind damit de facto abgeschafft.

Enttäuschend, dass ein – vermeintlich liberaler – Ökonom, der mehrfach den Begriff „Austrian Economics“ ins Spiel bringt, nicht den Nerv hat, darauf hinzuweisen, dass Rieglers Ideen konsequent zu Ende gedacht auf eine Zwangswirtschaft unter einem (Öko-)Räteregime hinauslaufen. Spielt hier am Ende gar das Kokettieren mit einem künftigen Ministeramt auf einem ÖVP-Ticket eine Rolle…?

Dank gebührt Werner Fasslabend, der unmissverständlich klar macht, dass in einer global vernetzten, hochkomplexen Welt, eine Planökonomie zum Scheitern verurteilt ist. Ohne Millionen von unentwegt durch Preise gesetzte Signale, die eine Selbstregulation des gesamten Wirtschaftssystems sicherstellen, geht es nicht.

Wirtschaftsminister Ludwig Erhard schaffte einst mit seinem konsequenten Eintreten für die Marktwirtschaft das deutsche „Wirtschaftswunder“. Das war eine im wahrsten Sinn des Wortes soziale Großtat. Ebenso vehement sprach dieser hoch verdiente Mann sich für regionale Verantwortlichkeiten aus: „Wehe dem, der glaubt, man könne Europa etwa zentralstaatlich zusammenfassen, oder man könne es unter eine mehr oder minder ausgeprägte zentrale Gewalt stellen.“ Worte von zeitloser Gütigkeit.

Indes wurden die beispielhaften Lehren der Vergangenheit von Menschen, die keinen Tag ihres Lebens unter Marktbedingungen gearbeitet haben (was auf Josef Riegler in gleicher Weise zutrifft, wie auf 95 Prozent aller übrigen heute aktiven Politiker) leider allesamt vergessen!

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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