Tausche Identität mit Religionsideologie

Dass es nach Osama bin Ladens Terrortruppe Al Kaida weitere Steigerungsstufen in Sachen Brutalität und Grausamkeit bei Angriffen auf Leib und Leben gibt, weiß man seit den Bildberichten über aktuelle Gräueltaten der international rekrutierten ISIS-Krieger. Besondere Aufmerksamkeit und erschrecktes Aufhorchen gibt es, seit man wahrnehmen musste, dass sich auch Jugendliche aus westlichen Ländern freiwillig zum Kampf für den Dschihad in den umkämpften Regionen gemeldet haben.

Viele haben dort ihr Leben gelassen. Die zentralen Fragen, die sich da die geschockte Gesellschaft der westlichen Welt stellt, sind:

  • Wer sind diese Jugendlichen, die vom üblichen Entwicklungsweg abweichen, um sich für den oft todbringenden Weg fanatisch Revoltierender zu entscheiden?
  • Was sind die Motive, den abgesicherten Weg in unserer westlichen Gesellschaft aufzugeben, um sich auf den blutigen Pfad der Scharia zu begeben?
  • Wie soll unsere Gesellschaft auf diese radikalisierten und auch frustrierten Aussteiger reagieren?

Gebote, Verbote oder strafrechtliche Verfolgungen sind sicher nicht der Weisheit letzter Schluss, wenn es um das Wiedergewinnen der Jugendlichen geht, die sich als Verlierer einer entseelten Konsumgesellschaft empfinden. Im propagierten heiligen Krieg gegen Ungläubige und den Rest der Welt werden Fortschrittsverlierer zu heiligen Helden und Siegern gemacht.

Psychologisch gesehen passiert diese Weichenstellung der Lebensplanung im Zuge eines ungelösten inneren Wettstreits, seine Identität zu finden. Die immer größer werdende Distanz zwischen Reich und Arm und die damit verbundene Dissonanz zwischen Fortschrittsverlieren und -gewinnern verursacht den mentalen Sprengstoff, der aus vermeintlich unauffälligen Jugendlichen radikalisierte Dschihadisten in den Kriegsgebieten macht.

Wir alle sind aufgefordert unsere Werthaltung zu reflektieren, indem wir Wertwahrnehmung, Wertempfinden und Wertverständnis schärfen und selbstkritisch unsere Standpunkte im Sinne der Wichtigkeit und Wertigkeit von Sozialkapital in unserer Gesellschaft hinterfragen. Nicht das Finanzkapital in Form von Besitz und Reichtum macht uns vor Angriffen sicher. Es ist das zu wenig beachtete Sozialkapital, welches gerade unsere heranwachsenden Jugendlichen gegen radikale Verführer und falsche Vorbilder immunisiert.

Eine wirksame Prävention gegen Gewalt in jeder Form ist nur durch ehrliche und realistische Integration von Bürgern und Bürgerinnen möglich. Den Menschen vor Masse und Macht zu stellen, das ist die Devise, die besonders durch die Medien aller Art verstärkt werden sollte.

Dr. Franz Witzeling: Psychotherapeut und Soziologe

zur Übersicht

Kommentieren (leider nur für Abonnenten)

Teilen:
  • email
  • Add to favorites
  • Facebook
  • Google Bookmarks
  • Twitter
  • Print



© 2024 by Andreas Unterberger (seit 2009)  Impressum  Datenschutzerklärung