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Gilbert Keith Chesterton – Neu aufgelegt, immer aktuell

Angesichts des enormen ideologischen Konformitätsdrucks, der derzeit das geistige und politische Leben Österreichs und Europas, bzw. deren kultureller Reste, vergiftet, ist es eine geistige Erfrischung, einen Blick über den „Tellerrand“ hinaus zu tun.

Als Gegenmittel gegen die derzeitige Meinungsdiktatur wollen wir unseren Blick auf einen großen katholischen Denker richten, der im Gefolge der Auflösung des apologetisch und intellektuell versierten katholischen Milieus nach dem II. Vaticanum nur mehr einem kleinen Kreis nachgeborener Zeitgenossen bekannt ist: Gilbert Keith Chesterton (1874-1936), Journalist, Buchautor, Konvertit, „Verteidiger des Glaubens“. Der willkommene Anlass dazu ist die relativ rezente Herausgabe zweier seiner Bücher auf Deutsch (davon eine deutsche Erstausgabe) durch den findigen und engagierten nova & vetera – Verlag (www.novaetvetera.de).

Die Beschäftigung mit Chesterton ist umso lohnender, als er genau diejenigen Verwirrungen entwirrt, mit denen wir uns heute schon wieder bzw. immer noch herumschlagen – da sie mit großem Propagandaaufwand flächendeckend in das Bewusstsein der Zeitgenossen gedrückt werden.

Der unsterbliche Mensch

Sein Buch „Der unsterbliche Mensch“ gilt als Klassiker katholischer Apologetik im 20. Jahrhundert. Es hat (den späteren Schriftsteller und Apologeten) C. S. Lewis (1898-1963) nach eigenen Angaben dem Christentum entscheidend näher gebracht.

Chesterton macht in diesem Buch das, was er am besten kann, nämlich den „intellektuellen Husarenritt“. Mit den Mitteln distanzierter Betrachtung auf die Menschheitsgeschichte bzw. deren „offizieller“ Deutung im Rahmen „evolutionärer“ Theoreme eröffnet er einen ungewohnten Blick auf viel zu selbstverständlich Angenommenes.

Dabei lässt sich Chesterton gleichsam auf der Welle seiner Gedanken, seiner Assoziationen und seines Wortwitzes tragen. Das Räsonnieren folgt zwar keiner Struktur, die man als Rezensent leicht wiedergeben könnte, aber es entbehrt auch nicht der inneren Logik. Eins gibt das andere und es ist nie langweilig. (Ein Wiener Literat nannte es 1930 „Wiener Kaffeehaus mit umgekehrten Vorzeichen“ und war wenig enthusiasmiert.)

Mit viel Witz ironisiert er beispielsweise die gängige Darstellung der menschlichen Frühgeschichte, so etwa die Deutung des „Höhlenmenschen“ (Kapitel „Der Mensch in der Höhle“ und „Professoren und prähistorische Menschen“). Er nimmt die frühen Hochkulturen Ägypten und Babylon als Gegenbeispiel gegen „evolutionäre“ Kulturtheorien („Das Altertum der Kulturen“). Dann kommt er auf den Monotheismus Echnatons und des alten Israel (bzw. dessen Einmahnung durch die Propheten), Auch das ein Stolperstein gegen „evolutionäre“ Religionstheorien, wie sie seit dem 19. Jahrhundert Mode geworden sind („Gott und vergleichende Religionswissenschaft“).

Schließlich behandelt er im zweiten Teil des Buches das Phänomen „Christentum“, genauer gesagt die Person Jesu Christi und die Katholische Kirche („Der Gott in der Höhle“, „Dir Rätsel des Evangeliums“). Auch diese sind, wie er mit paradoxen Formulierungen darlegt („Die seltsamste Geschichte der Welt“), jedem „evolutionären“ Erklärungsversuch entzogen. Die Kirche ist sodann auch jeder Parallelisierung mit Kulten und „Religionen“ aller Art entzogen, obwohl dies immer wieder – kontrafaktisch – versucht wird („Das Zeugnis der Ketzer“).

Vor einer Schlussbetrachtung kommt noch eine auch für den Rezensenten originelle Überlegung zur Religionsgeschichte, die mit „Die fünf Tode des Glaubens“ überschrieben ist und in das berühmte Resümee mündet:

„Wenigstens fünfmal ist mit den Arianern und mit den Albigensern, mit dem humanistischen Skeptiker, mit Voltaire und mit Darwin der Glaube allem Anschein nach vor die Hunde gegangen. In jedem dieser fünf Fälle war es aber der Hund, der starb.“

Greifen wir dazu zwei zentrale Gedanken mit einigen Kostproben auf:

Mythos und Logos nehmen in der Person Christi gleichermaßen Gestalt an

Mit Ironie greift Chesterton die Ideologien auf, die zu seiner Lebzeit in voller Blüte standen. Besonders Hegel und Darwin und deren Derivate haben es ihm angetan. Deren Geschichtsbild ist ein reines Konstrukt ohne Wirklichkeitsbezug. Es gibt vor, die Geschichte richtig interpretieren zu können.

Aber erst durch die göttliche Offenbarung wird die Menschheitsgeschichte verständlich:

„Es gibt ein solches Ding wie eine menschliche Geschichte; und es gibt ein solches Ding wie die göttliche Geschichte, die gleichzeitig eine menschliche Geschichte ist. Aber es gibt nichts Derartiges wie eine hegelianische Geschichte, oder eine monistische Geschichte, oder eine relativistische Geschichte, oder eine deterministische Geschichte. Denn jede Geschichte, ja, sogar eine Fünf-Groschen-Schauergeschichte oder eine billige Kurzgeschichte haben etwas in sich, das zu unserem Universum und nicht dem jener gehört. Jede Kurzgeschichte beginnt in Wahrheit mit Schöpfung und endet mit einem Jüngsten Gericht. Und das ist der Grund, weshalb Mythen und Philosophen, bis Christus kam, in Fehde miteinander lagen. (…) Es ist billig zu behaupten, der Philosoph sei im allgemeinen der Vernünftigere, noch leichter ist es zu vergessen, dass der Priester stets der Volkstümlichere war, denn der Priester erzählte den Menschen Geschichten, und der Philosoph begriff nicht die Philosophie der Geschichten. Das trat in die Welt mit der Geschichte Christi.“

Die (vermeintliche) Vielfalt der „Religionen“ und die eine Wahrheit

Man muss eine Überschrift nur so formulieren und sofort wird sich Widerspruch regen. Bei aller „Religionskritik“ nämlich, mit der seit einigen Jahrzehnten Schüler von sich „aufgeklärt“ dünkenden Lehrern drangsaliert werden, ist natürlich jede Kritik an einer „Religion“ verboten, die nicht die katholische ist. In Zeiten rapiden Rückfalls ins Heidentum ist jeder obskure Kult sakrosankt, direkte theologische Verneinungen der christlichen Zentralaussagen ein Zulassungskriterium für jeden Salon, der auf sich hält.

Auch zu Chestertons Zeiten war der Katholizismus in England nicht die gesellschaftsprägende Kraft (von vielen Einzelkonversionen abgesehen). Neben der Feindseligkeit durch den Anglikanismus war es vor allem der „moderne“ Relativismus und Atheismus, die das Klima prägten. Man kam sich sehr gescheit vor, H. G. Wells, Bertrand Russell, George Bernard Shaw & Co.

Chesterton fand diese Attitüde albern, da Produkt oberflächlichen Denkens und unreflektierter Vorurteile.

Man fragt sich ja wirklich, wie nur jemand auf die Idee hat kommen können, die „Religionen“ wären „gleich“ (wo sie doch offenkundig völlig verschieden sind):
„Der moderne Missionar mit Palmwedel und Regenschirm ist zu einer leicht komischen Figur geworden. Männer von Welt verhöhnen ihn wegen der Behaglichkeit, mit der er von Kannibalen verspeist werden kann, und wegen der engherzigen Bigotterie, mit der er die kannibalische Kultur als seiner eigenen untergeordnet betrachtet. Der beste Teil dieses Scherzes liegt vielleicht darin, dass die Männer von Welt gar nicht merken, dass die Spitze sich gegen sie selber kehrt. Es ist ziemlich lächerlich, einen Mann, unmittelbar bevor er in einem Topf geschmort und zu einem rein religiösen Fest verspeist werden soll, zu fragen, weshalb er nicht alle Religionen für gleich liebevoll und brüderlich hält.“

Man fragt sich auch, wie man nur jemals den weitschweifigen, widersprüchlichen und absurden Mythologien des Heidentums soviel ernsthaft-wissenschaftliche Beachtung hat schenken können, inklusive Lehrstühle und Tantiemen. Und das, wo es doch dort keine Wahrheit gibt, ja wo nicht einmal der ausdrückliche Anspruch erhoben wird, die Wahrheit zu sagen, oder – Skandal aller Skandale – die Wahrheit in Person zu SEIN.

Dazu Chesterton:
„Doch es wird auch eine spitzfindigere Kritik gegen den altmodischen Missionar laut, die darauf hinausläuft, dass er alle Heiden über einen Kamm schert und dem Unterschied zwischen Mohammed und Mumbo-Jumbo zu wenig Beachtung schenkt. Diese Klage hatte wahrscheinlich besonders in der Vergangenheit Berechtigung, aber ich behaupte hier nachdrücklich, dass man heutzutage gerade im entgegen gesetzten Sinn übertreibt. Die Professoren fühlen sich versucht, Mythologien in zu hohem Maß als Theologien zu behandeln, als gründlich durchdachte und ernsthaft beachtete Lehren. Die Intellektuellen sind durchweg geneigt, die feinen Schattierungen der verschiedenen Schulen der ziemlich unverantwortlichen Metaphysik Asiens allzu ernst zu nehmen.“

Dass Chesterton diese Mythologien „allzu ernst nehmen“ würde, könnte man nun wirklich nicht behaupten.

Resümee

Zuletzt eine Warnung: Das Buch ist intellektuell anspruchsvoll und daher nicht immer leicht zu lesen. Es ist auch relativ umfangreich.

Schließlich geht es dem zeitgenössischen Leser mit seinen vielen uneingestandenen und derzeit weitgehend antichristlichen bzw. antikatholischen Voraussetzungen häufig „gegen den Strich“. Es „unterfliegt das Radar“, stellt uns also Sachverhalte vor, die meist unserer Aufmerksamkeit entgehen oder über die wir nicht reflektieren.

Das macht das Buch auch so wertvoll. Es ist der Schritt zurück, um das größere Panorama zu sehen – und man macht überraschende Entdeckungen.

Vor allem zeigt es auch, wie sehr Glaube und Vernunft zusammengehören. Eine unvernünftige „Religion“ kann unmöglich wahr sein. Die Vernunft kann dann zwar auch den Glauben nicht ersetzen, kann aber zu ihm hinführen und ihn plausibel und verantwortbar erweisen.

Das Buch ist ein gutes Mittel gegen den eingangs erwähnten Konformitätsdruck. Für so manchen Leser wird es ein Anlass ein, seine gesamte Sicht auf Welt und Leben zu überdenken und gegebenenfalls existentielle Konsequenzen zu ziehen.

In aller Kürze: Kugel und Kreuz

Hier soll gleich die Gelegenheit genützt werden, um ein anderes Chesterton-Buch im selben Verlag wenigstens kurz zu nennen: Kugel und Kreuz.

Es handelt sich um einen ziemlich wunderlichen Roman, in den tiefgründige Zwiegespräche eingearbeitet sind. Es ist die Geschichte eines Katholiken, der einen Atheisten wegen dessen blasphemischer Bemerkungen zum Duell fordert. Die wachsame Polizei Englands und widrige Umstände verhindern jedoch den Zweikampf immer wieder. Zuletzt finden sich beide Protagonisten gleichsam als Verbündete, da sie ja immerhin meinen, dass die Gottesfrage eine Auseinandersetzung lohnt. Was die vermeintlich „vernünftige“ Welt selbstverständlich nicht tut und daher Polizei und Psychiatrie aufbietet (dazu die schaurige Vision der psychiatrischen Anstalt).

Der ganze Roman wirkt auf den Leser wie ein Alptraum, in dem sich immer wieder Enklaven des Heilen und des gesunden Menschenverstandes zeigen. Und dieser ist als atheistischer einfach unmöglich.

Gerade die Chestertonschen Ausführungen zur Psychiatrie sind angesichts des Missbrauchs dieser Einrichtung im Sowjetsystem und, wie man hört, auch in der westlichen Welt, nicht ohne Brisanz.

Das Buch beeindruckte den jungen Albino Luciani, den späteren Papst Johannes Paul I. (1978), so sehr, dass er mit Chesterton Kontakt aufnahm. Auch viele andere zeitgenössische Leser Chestertons wurden davon angeregt. Für manche führte es zu existentiellen Konsequenzen.

Der Rezensent findet den bearbeiteten Stoff gut und wichtig, wenngleich sich die Verpackung vermutlich nur Liebhabern exzentrischer Literatur erschließen dürfte. Aus seiner Sicht wird sich das Buch am meisten für schon mit dem Chestertonschen Denken vertraute Leser lohnen.

Gilbert Keith Chesterton, Der unsterbliche Mensch, Originaltitel The Everlasting Man, durchgesehener Neudruck der Übertragung aus dem Englischen von Curt Thesing. Nachträge Chestertons übersetzt von Boris Greff. Bonn, Verlag nova & vetera, 2011, 318 S.,

ders., Kugel und Kreuz, Originaltitel The Ball and the Cross, erste deutsche Übersetzung, aus dem Englischen und mit einem Nachwort von Stefan Welz, nova & vetera, 2007, 252 S.

MMag. Wolfram Schrems, Linz und Wien, katholischer Theologe und Philosoph, kirchlich gesendeter Katechist.

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