Ein Projekt – Cui bono?

Mittlerweile ist das Hochhausprojekt beim Konzerthaus auf dem Grund des Wiener Eislaufvereins doch etwas stärker ins Bewusstsein der Allgemeinheit getreten. Das hat zur Folge, dass einige für die Investoren vermutlich unerwünschte Fragen gestellt werden.

Die Betreiber, kräftig unterstützt von der Politik, präsentierten das Projekt bereits vor mehr als einem Jahr, wobei die allenthalben lauthals geforderte Transparenz nur pro forma auf die Fahnen geheftet wurde. Die Praxis sah so aus, dass nur ein Bruchteil der Anrainer von der Existenz bzw. Präsentation des Projekts schriftlich in Kenntnis gesetzt wurde, ganz zu schweigen von weiteren Kreisen, denen die Stadtgestaltung ebenfalls ein Anliegen sein musste.

Im Zuge der Vorantreibung der Planung und diverser behördlicher Verfahren gab es mehrere Veranstaltungen, von denen jene, die ich besuchen konnte, das Publikum teils in ungläubiges Staunen, teils in laute Empörung versetzten.

Den Grad der Wertschätzung des Wiener Weltkulturerbeprädikats habe ich schon in einem früheren Kommentar beschrieben, Stichwort „Schas“ (Klassifizierung durch den Direktor des Wiener Architekturzentrums, Träger des silbernen Ehrenzeichens für Verdienste um die Stadt Wien). Es geht übrigens nicht nur um den möglichen Verlust des Prädikats, sondern mehr noch darum, ob Wien dessen tatsächlich noch würdig wäre, auch wenn irgendein kulanter Funktionär der UNESCO einen Verstoß gegen die Richtlinien nicht so eng sehen sollte, wie ja auch die Investoren sich überzeugt geben, das Projekt sei mit den Normen kompatibel. Wenn das Ganze nicht doch recht bedauerlich wäre, könnte man herzlich darüber lachen.

Inzwischen sind aber auch andere Gesichtspunkte stärker in den Blickpunkt gerückt, nämlich die Art, wie man dem Projekt durch Herunterspielen oder Verschweigen von Tatsachen und Ausblenden rechtlicher Gegebenheiten zur Realisierung verhelfen will, auch das auffallend gut funktionierende Zusammenspiel von Investoren, Politikern und Medien sowie der Stil, in dem Veranstaltungen zum Thema abzulaufen pflegen.

Stadtgespräch mit Kurier und ORF

Ein schönes Beispiel war ein vom Kurier veranstaltetes Stadtgespräch im Festsaal des Akademischen Gymnasiums. Das Podium war mit zwei Vertretern der Investoren, der stellvertretenden Chefredakteurin des Kurier und einer ORF-Journalistin besetzt, die viribus unitis eine Phalanx gegen das zahlreich erschienene Publikum bildeten und offensichtlich wild entschlossen waren, den zu erwartenden Protest zu ignorieren oder abzuwürgen.

Als Regel wurde ausgegeben, dass es keine Feststellungen, sondern nur Fragen geben dürfe. Als ein ehemaliger Referent für Kulturerbe- und UNESCO-Angelegenheiten des zuständigen Ministeriums feststellte, dass die Richtlinien für die Einstufung Wiens als Weltkulturerbe praktisch nicht umgesetzt würden und hier Geldflüsse zu vermuten seien, wollte ihm die Moderatorin sofort das Wort entziehen, da mit dieser Äußerung  keine Frage gestellt werde. Nur durch rabiate Zwischenrufe gelang die Fortsetzung der Wortmeldung. Der Sprecher setzte noch eins drauf, indem er feststellte, ein Investor würde ohne gewisse Zusicherungen im Vorfeld wohl kaum so viel Geld für Planungen in die Hand nehmen. Es folgte frenetischer Applaus. Der derzeitige Verbindungsmann zwischen der Stadt Wien und der UNESCO  wurde von der Sprecherin einer Bürgerinitiative und Fachexpertin für kunsthistorische und technische Belange dahingehend attackiert, dass er seine Aufgabe nur sehr unzureichend wahrnehme, was er nicht überzeugend entkräften konnte.

Ein Herr aus dem Publikum stellte die Frage, ob die Investoren einer Befragung zu dem Projekt zustimmen würden, worauf die Vertreterin von WertInvest sich für nicht zuständig erklärte. Die zweite Frage des Sprechers war an das Publikum gerichtet, nämlich: „Wer in diesem Saal ist gegen das Projekt? Der möge die Hand heben“, worauf so gut wie alle ein Handzeichen gaben und die im Saal deutlich spürbare Ablehnung des Projekts damit eindrucksvoll artikuliert wurde. Es folgte tosender Applaus.

Es gab unbequeme Fragen zu feuerpolizeilichen Problemen, dem Verlust von Arbeitsplätzen im Hotel Intercontinental infolge der vorübergehend nötigen  Stilllegung, Unklarheit betreffend die Abgrenzung des Territoriums zwischen dem Eigentum des Bundes, der Stadt, des Eislaufvereins und des Investors, Fragen der Flächenwidmung u.a.m. Auf dem Podium verdüsterten sich die Mienen zusehends.

Von spärlichen zwei Fürsprechern des Projekts ging die Wortmeldung einer Grünpolitikerin im Trubel unter, eine andere, zeitlich geschickt vor dem geplanten Ende platziert, wirkte auf das peinlichste einstudiert und enthielt sämtliche verbalen Versatzstücke, die betreffs Urbanität üblicherweise zum Einsatz kommen. Hier hellten sich die Gesichter auf dem Podium wieder etwas auf.

Die Veranstaltung, die ich als Waterloo für die Betreiber empfand, wurde sodann überraschend früh wegen fortgeschrittener Zeit beendet. Die Besucher staunten nicht schlecht, als der ORF in „Wien heute“ am folgenden Abend freudig verkündete, das Publikum sei mehrheitlich für das Projekt, die Betreiber seien zufrieden, es herrsche eitel Wonne und die Welt werde zum urbanen Himmelreich werden.

„Wien wohin?“ im Odeon

Auch der so genannte BürgerInnendialog „Wien wohin?“ im Odeon lieferte einigen Erkenntniswert. Die Veranstaltung war offenkundig so angelegt, dass die Bürger möglichst wenig zu Wort kommen sollten. Referate von mehreren Experten (und Expertinnen natürlich) dauerten endlos lang, und in wenigen Sätzen darstellbare Inhalte (darunter Ausführungen über Berlin) wurden in ermüdender Form ausgewalzt.

Der durch den Planungsdirektor der Stadt Wien erläuterte Stadtentwicklungsplan (STEP 2025) beinhaltet im Wesentlichen die „Verdichtung“ der Stadt, wobei Areale wie die Seestadt und der Nordbahnhof angesprochen wurden, während man geflissentlich Flächen innerhalb des Stadtzentrums aussparte. Ich nehme hier vorweg,  dass später gestellte Fragen aus dem Publikum zur umstrittenen Flächenumwidmung auf dem Gelände des Wiener Eislaufvereins mehr oder weniger unbeantwortet blieben. Das lässt vermuten, dass man das Grünlicht für die Verbauung heimlich still und leise, vorbei an der Öffentlichkeit, durchzubringen trachtet.

Mittels eines Meinungsforschers wurde die nötige Stadtverdichtung (man könnte sie auch Zubetonierung nennen) anhand des vermehrten Wohnungsbedarfs infolge der Zuwanderung argumentiert. Die Migration, deren Sinnhaftigkeit keinesfalls hinterfragt werden darf, gilt als unumstößliche und durch nichts beeinflussbare Gegebenheit, wie ein physikalisches Gesetz. Ich möchte nicht auf alle Referate eingehen, ein etwas kurioser Beitrag zum Zeitschinden auf Kosten des so genannten Dialogs war aber gleich eingangs eine Art Doppelconference eines vorne wie auf einer Bühnen stehenden, autonom aussehenden Frauenduos, das sich für die Erhaltung des Amerling-Hauses einsetzte. Was dort gemacht wird, wurde als bekannt vorausgesetzt, man erläuterte aber die Härten des drohenden Subventionsentzugs in düsteren Farben, wobei eigentlich ohne Unterlass von beiden Damen dasselbe wiederholt  wurde.

Endlich erschien der Star des Abends: Vizebürgermeisterin Vassilakou. Die gefühlte Länge ihrer Ausführungen war beträchtlich, wobei besonderes Augenmerk auf soziales und „leistbares“ Wohnen gerichtet war, auf „Zonen der Begegnung“ (insbesondere mit der Vielfalt der Kulturen), auf Wien als „lebenswerte“ Wohlfühlstadt, aber auch auf die Notwendigkeit von Investoren, die der Stadt zu Einkünften verhelfen sollten. Nicht erwähnt wurde freilich, dass Lobbyisten in den Reihen der Politiker allem Anschein nach kräftig mitschneiden. Dem Stadterweiterungsfonds gehörende Gründe wurden seinerzeit um einen Spottpreis zunächst an eine gemeinnützige Wohnbaugesellschaft verscherbelt; danach entwickelte sich ein undurchsichtiger Dschungel von Käufern, Wiederverkäufern, Firmenkonstrukten, Stiftungen etc., sodass man wahrscheinlich lange brauchen  würde, um etwa auf PowerPoint ein veranschaulichendes Diagramm zu erstellen. Die Geldflüsse in diesem Verwirrspiel wären vermutlich nicht darstellbar.

Der verheißene Dialog mit den Bürgern fiel „aus Zeitgründen“ erwartungsgemäß knapp aus, wobei das Grundmuster, nicht genehme Wortmeldungen abzuschneiden, auch hier vom Moderator angelegentlich praktiziert wurde. Auch hier gab es laute Zwischenrufe aus dem Publikum und teilweise unbeirrtes Weitersprechen bei Wortmeldungen. Eine zusätzliche ausführliche Meldung zugunsten des Amerlinghauses wurde nicht unterbrochen, der Moderator schien am Ende geradezu auf mehr zu warten. Eine Stadtbildschützerin war hingegen weniger erwünscht, sie deponierte nämlich u.a., dass zwischen dem Bund und der UNESCO ein völkerrechtlich gültiger Vertrag bestehe, der laufend gebrochen werde. (Da kommt es interessierten Kreisen entgegen, dass Bauordnungen und Flächenwidmungen Gemeindesache sind, weshalb gegen den fortgesetzten Rechtsbruch ohne entsprechenden politischen Willen nur wenig auszurichten ist.)

Fragen an die Vizebürgermeisterin

Die Veranstaltung wurde auch hier beendet, bevor weitere wesentliche Punkte zur Sprache gebracht werden konnten. Ich begab mich nach dem offiziellen Teil in die Nähe der Vizebürgermeisterin und ergriff  die Gelegenheit, Fragen zu stellen und einiges zu deponieren. Ich fragte zunächst, wie sozial und leistbar denn die Wohnungen in dem geplanten Turm beim Intercontinental sein würden und wie es komme, dass ausgerechnet Chorherr und sie dieses Projekt bewerben würden. Sie lächelte verlegen und faselte irgendetwas davon, dass man ja erst am Anfang des Dialogs stehe und dergleichen.

Ich fragte weiter, wie denn die Verkehrssituation nach Verbreiterung des Eislaufplatzes zur Lothringerstraße aussehen würde und dass der Eislaufverein offenbar für die zu verbauende Fläche mit öffentlichem Grund entschädigt würde, welcher den Investoren gar nicht gehöre. Sie murmelte etwas von Vereinbarungen mit der Stadt und gab nach einigem Drehen und Wenden zu, dass der um mehrere Millionen Euro gestaltete Grünstreifen auf der Lothringerstraße wegfallen würde; es sei jedoch nicht schade darum, da dort ohnedies keine Bäume stünden.

Ich fuhr fort, wie es denn mit den Parkplätzen für die Anrainer aussehen würde, wo doch Heerscharen von Wellness- und Casinokonsumenten anfahren würden, worauf sie replizierte, es sei ohnehin eine Tiefgarage auf dem Beethovenplatz. Ich meinte, die würde mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht frequentiert werden, solange die den Bewohnern des dritten Bezirks zustehenden Parkplätze verfügbar seien. Nun sagte sie etwas, das man sich auf der Zunge zergehen lassen muss: „Die Leute, die in der Gegend wohnen, sind ja alle sehr wohlhabend und können sich die Tiefgarage leisten.“ Daraufhin packte mich die Wut, und ich sagte (den Tatsachen entsprechend) ungefähr folgendes: „Ich habe Null eigenes Einkommen, mein Mann bezieht eine Beamtenpension, wir leben in einer Mietwohnung, unser Auto ist über zwanzig Jahre alt, mein Mann fährt trotz vorgerückten Alters meistens mit dem Rad, wir wären also eigentlich die idealen Grünen, wir wählen aber beide Blau.“

Da verschlug es ihr die Sprache, und auch die Umstehenden erstarrten zur Salzsäule. Nachdem sie sich gefasst hatte, entblödete sie sich nicht, mit der Rassismuskeule zu kommen, worauf ich (ebenfalls den Tatsachen entsprechend) erwiderte, einer unserer Freunde stamme aus Senegal, nur habe das eine mit dem anderen nichts zu tun. Die Grünen seien ihren Grundsätzen seit langem untreu geworden und ihr Name sei reiner Etikettenschwindel. Sie sagte dann kryptisch, jeder solle seine Grundsätze behalten, wobei ich leider verabsäumte sie zu fragen, welche nun eigentlich die ihren seien.

Informationen des Wiener Eislaufvereins

Der Wiener Eislaufverein machte eine Informationsveranstaltung für Mitglieder und Sympathisanten im Berio-Saal des Konzerthauses, die sich von den oben erwähnten Events wohltuend unterschied. Die zwei Vertreter des WEV fassten sich kurz und überließen dem Publikum reichlich Zeit, Fragen zu stellen und sich zu äußern. Es konnten daraus einige interessante Erkenntnisse gewonnen werden, die mit dem so genannten Besonderen Projekt in engem Zusammenhang stehen. Zunächst wurde seitens der Sprecher ausdrücklich betont, der WEV würde dem Projekt nur dann zustimmen, wenn seine Bedingungen erfüllt würden. (Wir wollen hoffen, dass hier nicht noch ein Sinneswandel herbeigeführt werden wird.)

Die Eisfläche von 6000 m2 dürfe keinesfalls verkleinert werden. Es wurde nun seitens des Publikums angesprochen, dass die Entschädigung durch Teile der Lothringerstraße unrechtmäßig sei, worauf ein den Sprechern des WEV assistierender Rechtsanwalt unbestimmbarer Position etwas unfroh meinte, der Investor müsse rechtens der Stadt Wien den beanspruchten Grund  abkaufen. Man geht wohl nicht ganz fehl in der Annahme, dass die Stadt dem Investor preislich entgegenkommen wird, wobei ein Teil der Differenz zum tatsächlichen Wert in den sprichwörtlichen dunklen Kanälen versickern wird. Man kann dreimal raten, wo die vermutlich angesiedelt sind.

Freunde des Eissports beanstandeten ferner die mangelnde Abgrenzung zwischen der Eisfläche und dem öffentlichen Raum, dies vor allem im Hinblick auf die geplanten Durchgänge zwischen dem dritten und dem ersten Bezirk. Offenbar hat man sich keinerlei Gedanken darüber gemacht, wer bei allfälligen Unfällen haftet, wenn die Territorien nicht säuberlich abgegrenzt sind. Wird eine solche Abgrenzung aber vorgenommen, so büßt der Eislaufverein letztlich doch wieder Fläche ein, jedenfalls ist es anders kaum vorstellbar. Eine Umplanung wurde gefordert, anscheinend auch für diverse Neben- bzw. Zweckbauten, deren geplante Lage im Hinblick auf die Abläufe völlig unzweckmäßig sei. Seitens eines Sprechers wurde ausdrücklich betont, dass die Investoren keine Veranlassung hätten, sich als Wohltäter des Eislaufvereins zu gerieren, da dieser schuldenfrei sei und alles Benötigte selbst finanzieren könne, im Übrigen seien die derzeitigen Gegebenheiten völlig ausreichend.

Ein Kapitel für sich ist die Flächenwidmung des Areals. Einerseits hat der WEV einen Mietvertrag bis 2058, andererseits hat der Investor bereits eine Änderung der Flächenwidmung beantragt, was in die Richtung weist, man wolle dem Eislaufverein  den gültigen Vertrag durch irgendeine Rechtsbeugung  vorzeitig abdrehen, was laut Aussage des WEV schon früher versucht worden ist.

Auf einer Website zum Architekturwettbewerb ist folgendes zu lesen: Im Zentrum dieser neu zu planenden Bauten und deren Nutzungen ist der Wiener Eislaufverein mit seinem erweiterten Nutzungsprogramm neu zu planen und zu integrieren. Das Konzerthaus ist hinsichtlich der möglichen Nutzungen und Bespielungen der Freiflächen in das Gesamtensemble zu integrieren, jedoch ohne bauliche Veränderungen des Konzerthauses. Das bedeutet, dass sich die Investoren faktisch bereits als Herren über den WEV und das Konzerthaus fühlen, da sie damit rechnen, die allseitige Willfährigkeit schon irgendwie erzielen zu können.

Die Politikverdrossenheit scheint ein hohes Maß erreicht zu haben. Angesichts der bananenrepublikartigen Zustände, die sich  anhand dieses Projekts vermuten lassen, sollte man die Sache im Visier behalten. Jene blauäugigen Bildungsbürger, die bisher Grün wählten, weil das doch alles so bio- und öko- ist, so gesund in der abgaserfüllten grauen Großstadt und mit Gänseblümchen, Schweinchen und Lämmchen überhaupt so sympathisch und nett, die scheinen allmählich Bedenken zu bekommen. „Ach Grün, du böse Farbe du…“ (Zitat Wilhelm Müller.)

Etwas mehr Wachsamkeit und Courage seitens der Bevölkerung könnte unter Umständen noch retten, was zu retten ist und die vermeintliche Omnipotenz des Bündnisses zwischen Investoren und Politik an ihre Grenzen stoßen lassen.

Dkfm. Waltraut Kupf, Studium an der Hochschule für Welthandel, Angestellte der IAEO, dort zugunsten der Kindererziehung ausgeschieden, verheiratet mit dem akad. Restaurator Prof. Martin Kupf. Gelegentliche Abfassung von Kommentaren in online-Medien.

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