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Noch einmal Rücktritt von Papst Benedikt XVI. – Von der Zweideutigkeit eines Pontifikates

Warum ist ein ausgesprochen theologisches Buch für einen politischen Blog interessant? Aus mindestens drei Gründen: Erstens ist die Wahrheit immer interessant. Zweitens wird unsere Politik von dem geprägt, was bzw. woran bzw. an wen geglaubt wird. Darum ist es wichtig, den meist unausgesprochenen Voraussetzungen unserer Kultur, Politik und Ökonomie auf den Grund zu gehen. Dabei wird es manchen Zeitgenossen weit hergeholt scheinen, wie theologische und philosophische Details Auswirkungen auf konkrete politische und kulturelle Umstände haben sollen. Aber genau dieser oft nicht thematisierte Zusammenhang zwischen theoretischer Überzeugung und praktischer Auswirkung ist stärker, als er auf den ersten Blick scheint. Drittens erzeugen Ereignisse in der Kirche ein großes Aufsehen in der säkularen Öffentlichkeit.

Es lässt auch Atheisten, Kirchenferne und religiös Indifferente nicht kalt, wenn ein Papst stirbt und ein neuer gewählt wird – oder eben, wenn ein Papst zurücktritt. Angesichts der Extravaganzen des neuen Pontifikates und der rezenten Ernennung von Papst Franziskus zum „Mann des Jahres“ durch TIME wird auch und gerade die säkulare Öffentlichkeit bewegt.

Ein bemerkenswertes Buch als Deutungshilfe rezenter Ereignisse

Bezüglich des aufsehenerregenden Rücktritts von Papst Benedikt XVI. ist das Buch des Bonner Universitätsdozenten für klassische Philologie und apologetisch tätigen Schriftstellers Dr. Heinz-Lothar Barth (Jg. 1953) aussagekräftig. Denn es war noch vor dem Papst-Rücktritt erschienen und kann als durch die Ereignisse geradezu spektakulär bestätigt gelten. Es dokumentiert detailreich, dass in der Lehre von Professor bzw. Kardinal Ratzinger manches problematisch war oder widersprüchlich blieb und vor allem, dass er als Papst nur wenig bzw. jedenfalls bei weitem nicht alles von dem umsetzen konnte, was er als Kardinal angemahnt hatte.

Daraus wird man die Schlußfolgerung ziehen müssen, dass der Rücktritt nicht nur der geballten Intrige verräterischer Kardinäle und Bischöfe, sondern auch seiner eigenen Zerrissenheit zwischen katholischer Tradition und dem Verhaftetsein an das II. Vaticanum geschuldet sein wird. Wie auch immer spätere Historiker das Pontifikat von Papst Benedikt XVI. bewerten werden, so ist dessen Zögerlichkeit in administrativen und disziplinären Fragen aufgrund der Auswirkungen sicher jetzt schon feststellbar.

Eine sorgfältige Lektüre zeigt aufgrund der vom Verfasser zusammengetragenen Materialfülle sehr gründlich, dass die Positionen Papst Benedikts eine gewisse Unschärfe aufweisen. Diese bezieht sich eben auf das Festhalten an theologischen Positionen, die er als junger Theologieprofessor bezogen hat bzw. mit denen er in der allgemeinen „Aufbruchs“-Euphorie der 50er und 60er Jahre, besonders zur Zeit des Konzils, sympathisiert hat. Trotz gelegentlicher Kritik an Konzilstexten und am „Geist des Konzils“ hat Papst Benedikt nicht wirklich eindeutig gesagt, inwiefern das Konzil oder welcher seiner Teile jetzt verbindlich ist und welcher nicht.

Im Gegenteil geriet die letzte öffentliche Rede des Papstes Mitte Februar (vom 14.02.13 an den römischen Klerus, vgl. http://www.katholisches.info/2013/03/12/die-letzte-grose-ansprache-benedikts-xvi-so-wachst-die-kirche-gemeinsam-mit-petrus-christus-bekennen/) zu einer – für den Rezensenten vollkommen unnachvollziehbaren – Laudatio auf das Konzil. Die durchgeführte Unterscheidung in ein „wahres Konzil“ und in ein „Konzil der Medien“ ist aufgrund des geschickten Medieneinsatzes durch die konspirativen progressistischen Konzilsväter und ihre Theologen selbst als eine optische Täuschung zu bewerten. Die treibenden Kräfte am Konzil kollaborierten ganz offen mit der „Welt“ und ihren „Medien“ und wussten diese Klaviatur effizient einzusetzen.

Das Buch gliedert sich in sechs große Themenbereiche:

  1. Die offizielle Wiederzulassung der traditionellen lateinischen Liturgie
  2. „moderne“ wider traditionelle Lehre der Kirche
  3. Patrologie: Ist der hl. Augustinus wirklich der Patron des laizistischen Staates?
  4. Ökumene: Sind die Protestanten „Kirche“?,
  5. interreligiöser Dialog und das Verhältnis zu Juden und Mohammedanern
  6. Fragen der Eschatologie.

Von besonderer Brisanz sind drei im Buch ausführlich behandelte Fragen, nämlich die Allerlösungslehre (aus dem 2. Abschnitt), die Karfreitagsfürbitten für die Juden (aus dem 5. Abschnitt) und die im selben Zusammenhang – kurz thematisierte – Frage des Gehorsams von Katholiken gegenüber dem Papst, wenn er vom tradierten Glauben abweicht (ebenfalls 5).

Die Allerlösungslehre und klerikale Falschübersetzungen

Der Verfasser zeigt auf, welche schlimmen Konsequenzen es zeitigt, wenn die kirchliche Lehrverkündigung den Eindruck vermitteln will, alle seien erlöst, es gäbe keine Hölle, alle kämen in den Himmel, es könne also letztlich gar nichts passieren. Schon das menschliche Gewissen ahnt in seiner Tiefe, dass das nicht stimmen kann. Die Lehre Jesu Christi widerspricht dem direkt. Die politischen Auswirkungen der Unheilsvergessenheit haben im 20. Jahrhundert „die Hölle auf Erden“, wie man sprichwörtlich sagt, errichtet. Gibt es keine Hölle, ist alles erlaubt: Es ist daher nicht egal, woran einer bzw. ein Volk bzw. die Menschheit glaubt und zu welchem Gott sie betet.

Das Buch kritisiert, dass im „modernen“ katholischen Denken, wie es sich besonders im II. Vaticanum ausdrückt, genau diese Verwirrung eingetreten ist. Dabei wird den nichtchristlichen Religionen als solchen wie selbstverständlich eine Heilsbedeutung zugestanden, die aber damit den Opfertod Jesu Christi und den Glauben an diesen praktisch überflüssig macht.

In diesem Zusammenhang präsentiert der Verfasser eine erstaunliche Entdeckung, nämlich die planvolle Falschübersetzung der Konzilserklärung zu den nichtchristlichen Religionen (Nostra aetate Nr. 2) im deutschen Sprachraum. Diese lautet: „Mit aufrichtigem Ernst betrachtet sie (die Kirche) jene Handlungs- und Lebensweisen [der nichtchristlichen Religionen, Anm.], jene Vorschriften und Lehren, die zwar in manchem von dem abweichen, was sie selber für wahr hält und lehrt, doch nicht selten einen Strahl jener Wahrheit erkennen lassen, die alle Menschen erleuchtet“ (zit. nach LThK² 13, 491, im Buch 156f.). Nun steht aber im lateinischen Urtext, der dieser Übersetzung zugrunde liegt, nicht „in manchem“ sondern „in multis“, also „in vielem“!

Auch der Rezensent hat das nicht gewusst.

Man ist verblüfft: Sagt man uns nicht seit über 40 Jahren immer wieder, dass „multi“ ohnehin immer so etwas wie „alle“ bedeutet? In den Wandlungsworten über den Kelch wird in der Messe von Papst Paul VI. ja das im Lateinischen immer noch vorhandene „pro multis“ im Deutschen deswegen ideologisch und hartnäckig falsch mit „für alle“ wiedergegeben. Im Konzilstext heißt „in multis“ aber plötzlich nicht nur nicht „in allem“, auch nicht „in vielem“, sondern sogar nur „in manchem“?

Das Werk deckt hier planvolle Verfälschung in subversivem Interesse auf: „Im lateinischen Urtext erschien den Progressisten aber der Abstand zwischen den Religionen, die man ja zusammenführen möchte, trotz dessen klarer ökumenistischer Tendenz noch als zu groß. Auch in der Neuen Messe sollten die Anhänger jeglicher Glaubens- und Weltanschauungsformen wenigstens als im Heil geeint erscheinen. Folglich musste „pro multis“ in der Liturgie „für alle“, „in multis“ hingegen im Konzilstext „in manchem“ bedeuten. Man nahm’s halt, wie man’s brauchte!“ (157)

Die Karfreitagsfürbitten und der Druck von außen

In Punkt 5 erläutert der Verfasser unter anderem die Zusammenhänge und Hintergründe der Karfreitagsfürbitten für die Juden. Er kritisiert, dass für Papst Benedikt die traditionelle Karfreitagsfürbitte „wirklich verletzend“ gewesen sein soll. Hinter dieser Bewertung steckten ein heutiger „Mainstream der katholischen Theologie“ (317) und „massive Pressionen“ von außen (303, vgl. 314 u. a.). Darum hat der Papst am 4. Februar 2008 den uralten und biblisch begründeten Text auch für die seit 2007 wieder voll rehabilitierte überlieferte Messe geändert.

 Im Buch heißt es dazu wörtlich:

„Wo bleibt angesichts des hohen Alters des inkriminierten Textes, der ja auch von so vielen seiner Vorgänger im Petrusamt Gott vorgetragen worden war, die Ehrfurcht vor der Tradition der Kirche? Wie fügt sich ein solches Urteil zu Benedikts „Hermeneutik der Reform in der Kontinuität“? Schon viele Jahre vor dem II. Vatikanum war auf eine Revision gedrängt worden. Jedoch hatten die Päpste diese stets mit Hinweis auf das ehrwürdige Alter der Texte und ihre biblische Fundierung abgelehnt“ (319).

Der ganze christliche Glaube steht hier auf dem Spiel, wenn man der Erpressung von außen nachgibt. Hier zeichnet sich eine Hangrutschung ab:

„Es besteht jetzt natürlich die ernsthafte Sorge, dass man von außen weiteren Druck auf den Papst ausüben könnte, zusätzliche Änderungen am traditionellen westlichen, römischen Ritus vorzunehmen. Wird man die Improperien am Karfreitag, die Metten in der Karwoche noch dulden? Das ganze römische Brevier ist voll von Kirchenvätertexten, die – auf dem Boden des Neuen Testamentes – die „Substitutionslehre“ voraussetzen: Bis (das religiöse) Israel seinen und unseren Messias anerkennt, ist der Bund an die Heidenkirche übergegangen!“ (320)

Der recht verstandene Gehorsam gegenüber dem Papst

Der Verfasser kommt in diesem Zusammenhang (der Verwendung der alten Gebete) zur Frage des Gehorsams gegenüber dem Papst, wenn dieser vom tradierten Glauben abweicht.

„Es steht jedenfalls fest: Glaube ist mehr als Gehorsam! Wenn Gehorsam, und sei es sogar vom Nachfolger Petri und Stellvertreter [Christi] auf Erden, gegen den offenbarten Glauben gefordert wird, darf man diesen Gehorsam nie und nimmer leisten“ (356).

Dieser Abschnitt erhält (unabhängig vom liturgischen Kontext im Buch) durch die Kapriolen des neuen Papstes in Lehre, Zeremoniell und Regierungsstil eine völlig überraschende Dringlichkeit. Wenn schon bei Papst Benedikt gewisse innere Widersprüche und Abweichungen vom altüberlieferten Kern des Glaubens vorhanden waren, um wieviel kritischer muss man die Willkür des neuen Pontifex betrachten.

Es schmerzt, dass solche Aussagen überhaupt getätigt werden müssen. Angesichts der theologischen Hangrutschungen unserer Tage bekommen sie aber eine große Relevanz.

Kritische Würdigung des Buches

Entgegen dem ersten Anschein handelt es sich bei dem Buch nicht um ein durchkomponiertes Werk, sondern um eine Sammlung von Aufsätzen, Artikeln und Interviews mit dem Autor. Dadurch kommt es manchmal zu Redundanzen. Kurios ist auch die Publikation einer auf Latein verfassten Ansprache, von der realistischerweise nur ein Bruchteil der Leserschaft wird profitieren können. Mancher Leser wird auch die zahl- und umfangreichen Zitate als übertrieben empfinden, da sie den Lesefluss immer wieder ablenken.

Gerade dieser Punkt leitet aber schon zur positiven Würdigung über. Was nämlich im Handwerk der Uhrmacher ist und in der Medizin der Neurochirurg, das ist in der Geisteswissenschaft der Altphilologe, nämlich Meister der Präzision. Der Verfasser behauptet nichts, was er nicht detailreich belegen könnte. Dabei ist die Gedankenführung logisch und nachvollziehbar (wenn auch oft anspruchsvoll und weitschweifig). Ein nicht ganz geringes Maß an theologischem und historischem Vorwissen wird dabei vorausgesetzt.

Resümee

Was Barth durch seine imposante Materialfülle zeigt, ist, was sowohl sehr einfache als auch intellektuelle Katholiken, aber auch außenstehende Beobachter seit fünfzig Jahren bemerken: Das Konzil ist mit seinen zweideutigen Aussagen und seinen gegen den Widerstand der Gläubigen, des Klerus und vieler Bischöfe implementierten Maßnahmen, vor allem der verheerenden Liturgiereform, ein Bruch. Dieser Bruch wurde – trotz großer gegenteiliger Erwartungen – auch von Papst Benedikt nicht geheilt. Die „Hermeneutik der Kontinuität“ blieb im Vagen, sie war der Versuch der Quadratur des Kreises. Alles das sei mit dem Ausdruck der Anhänglichkeit an und der Wertschätzung für den emeritierten Papst gesagt. Das macht die notwendige Kritik für den Rezensenten umso schmerzhafter.

Es ist dem Autor zu danken, die gründliche Ausleuchtung rezenter kirchengeschichtlicher Vorgänge einem breiteren, allerdings einschlägig vorgebildeten Publikum zugänglich gemacht zu haben.

Das Verdienst gebührt auch dem Sarto-Verlag, der angesichts der weitestgehenden inhaltlichen Selbstauflösung und Selbstirrelevantisierung traditionsreicher katholischer Verlagshäuser durch sein interessantes und anspruchsvolles Buchprogramm eine gewichtige Stimme im katholischen Geistesleben geworden ist. Es wird solide geistige Nahrung geboten, nicht das heute übliche inhaltslose Gerede.

Da es sich bei Sarto um den Hausverlag der Priesterbruderschaft St. Pius X. handelt, ist klar erkennbar, wie sehr sich das Blatt in den letzten 10, 20 Jahren gewendet hat und wie man einen guten Baum von einem schlechten unterscheidet. Es besteht kein Zweifel: „An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen“ (Mt 7, 20).

Heinz-Lothar Barth, Hermeneutik der Kontinuität oder des Bruchs? – Aspekte der Theologie Papst Benedikts XVI.
Bobingen: Sarto-Verlag, 2012; 461 Seiten, Eur 23,90

MMag. Wolfram Schrems, Linz und Wien, katholischer Theologe und Philosoph, kirchlich gesendeter Katechist, einschlägige innerkirchliche Erfahrung, umfangreiche Vortrags- und Publikationstätigkeit.

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