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Zwischen London und Wien: Es lebe der kleine Unterschied

In England hat ein junges Paar sein erstes Kind zur Welt gebracht. Und alle Welt steht Kopf. Ziemlich skurril oder? (mit nachträglichem PS)

Mag sein. Aber es ist jedenfalls viel schöner, wenn sich Menschen über eine Kindesgeburt freuen, als wenn sie etwa wie die Südeuropäer wegen der Wirtschaftslage verzweifeln (wozu sie freilich im Euro-freien Großbritannien angesichts eines erkennbaren Wiederaufschwungs weniger Anlass haben). Noch schöner ist, wie sehr das Gerede progressiver Kreise, dass Monarchien doch längst überholt seien und abzuschaffen wären, heute selbst so was von überholt ist.

Eine Monarchie, und sei sie noch so konstitutionell limitiert, verleiht einem Land Kontinuität, Würde, Identität. Sie wird in vielen Ländern auch attraktiv inszeniert. Sie ist insbesondere im Fall Großbritannien geradezu ein globaler Touristenmagnet geworden. Und sie nimmt sich dennoch viel weniger ernst, als das die meisten österreichischen Bundespräsidenten der letzten Jahrzehnte getan haben.

So sah ich vor ein paar Tagen bei einem Besuch in Ascot, dass dort Wetten nicht nur auf die galoppierenden Vierbeiner abgeschlossen wurden, sondern auch auf die Queen. So wettete man sogar auf die Hutfarbe, mit der die Queen bei ihrer grandiosen Vorfahrt via Pferdekutsche auffallen wird. Und sie nahm es mit britischer Gelassenheit.

Der Hut war übrigens himmelblau (was auch immer sie damit vorwegnehmen wollte). Vor allem aber beeindruckte: Eine Königin macht es zur Selbstverständlichkeit, dass etwa in diesem Ascot Abertausende andere sich ebenfalls mit einem prächtigen Hut beziehungsweise mit Zylinder plus Cut verkleidet haben. Und dass alle Spaß daran hatten. Denn die Zuschauer waren überwiegend jung. Und nicht festlich Gekleidete waren gar nicht zugelassen. Im sozialistisch-republikanischen Österreich gehen hingegen manche altgewordenen Progressivlinge mit Jeans und T-Shirt in die Oper. Ganz offensichtlich, um sich unter der feierlich gekleideten Mehrheit in Vorbereitung der proletarischen Weltrevolution unwohl zu fühlen.

Ich fühle mich zwar im Rückblick auf so manche überflüssige Kriege, in die das Haus Habsburg Österreich einst verwickelt hat, eigentlich eher als Republikaner. Aber immer öfter frage ich mich: Kann man angesichts des biederen und von jeder Ausstrahlung freien Parteifunktionärs Heinz Fischer in der Hofburg (wer schnell hat die eigentlich bauen lassen?) wirklich ein echter Republikaner sein? Von Alkoholikern unter den Vorgängern einmal ganz zu schweigen, oder von den überflüssig aggressiven Wahlkämpfen, die alle sechs Jahre um ein eigentlich nur repräsentatives Amt geführt werden.

Als Heinz Fischer vor einiger Zeit ein Enkelkind bekam, wurde das ganze Spital verdonnert, kein Sterbenswörtchen darüber zu verlieren.Nur keine öffentliche Freude, selbst wenn es eine Risikogeburt ist. Als die Queen nun einen Urenkel bekam, jubelt eine ganze Nation. Was kann es eigentlich Schöneres geben, als Anlass zu sein, dass sich Menschen wenigstens ein paar Tage lang glücklich fühlen? Hat ein Fischer, hat ein Klestil das auch nur einen Tag lang geschafft?

PS.: Noch etwas ganz anderes zeigte in diesen Tagen enorm deutlich, wie selbstverständlich und tief verwurzelt der britische Patriotismus ist: an einem Wochenende sammelten in sämtlichen Theatern Londons die Schauspieler für die verletzten Armeeveteranen, "für unsere Helden"; sie taten dies zuerst durch einen kollektiven Aufruf auf der Bühne in den Schlussapplaus hinein und dann mit der Sammelbüchse bei den Ausgängen. Eindrucksvoll. Oder kann sich in Österreich oder Deutschland irgendjemand solches vorstellen?

 

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