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Im Grund steht alles (nicht) im Buch

In Zeiten, da sowohl Österreichs wie Europas Politik ständig für Depressionen sorgt, tut es gut, an die wohl größte österreichische Kulturleistung erinnert zu werden, die auch lange nach Ende der Monarchie noch ihre massiv positiven Wirkungen hat. Hingegen sind Außen- und Sicherheitspolitik, Wirtschafts- und Währungspolitik derzeit ja alles andere als herzeigbar: Siehe Syrien-Chaos und Golan-Abzug; siehe Arbeitslosigkeit; siehe Ewald Nowotny: „Der Euroraum ist die Schwachstelle der Weltwirtschaft"; siehe Günther Oettinger: „Die EU ist ein Sanierungsfall“.

Die in Österreich kaum beachtete, aber unglaublich wichtige und von allen internationalen Experten geschätzte Kulturleistung ist nichts anderes als das im k. und k. Gebiet geschaffene Grundbuch. Noch heute gilt: Dort, wo es Grundbücher gibt (ob schon elektronisch wie bei uns oder noch in Papierform), sind Investitionen viel weniger riskant. Denn man weiß durch sie mit hundertprozentiger Sicherheit, wem ein Grundstück gehört und wem nicht.

Die meisten Länder außerhalb des einstigen k. und k. Bereichs haben hingegen diese juristisch-kulturell-ökonomische Großleistung nie nachgeholt. Daher geht noch heute nicht nur durch Osteuropa, sondern auch durch Oberitalien ein tiefer Bruch. Das Grundbuch erklärt mehr wirtschaftliche Erfolge als jede andere Einzelmaßnahme.

Das weiß jeder Investor, der – beispielsweise – in Rumänien ein Grundstück gekauft hat. Nach dem Kauf fordert plötzlich jemand ganz anderer vom Investor Geld. Denn er behauptet, er sei der wahre Eigentümer und nicht der ursprüngliche Verkäufer. Die Wahrheit lässt sich kaum eruieren – und bestochene Richter oder Beamte haben oft gar kein Interesse daran.

Auf dieses zentrale Problem ist jetzt auch die New York Times bei der Analyse der griechischen Malaise gestoßen. „Wem gehört dieses Land? In Griechenland, wer weiß?“

Es geht gar nicht nur um Korruption, sondern ebenso um mangelhafte Identifikation von Eigentümern. Diese ist auch Folge der Angewohnheit der letzten Jahrhunderte, Käufer nur mit Familiennamen zu identifizieren. Ursache des Chaos sind aber auch Grundstücks-„Definitionen“, die nicht auf Landvermessung beruhen, sondern etwa darauf, wieweit man einen Esel hören kann.

Als Folge kann Griechenland viele Grundsteuern nicht eintreiben. Für ein bankrottes Land fatal. Logischerweise melden sich Eigentümer ja nur, wenn sie dadurch Vorteile erwarten – also etwa einen Käufer schröpfen zu können. Nicht jedoch wenn es ums Zahlen geht.

Das Problem ist an sich längst bekannt. Schon in den 90er Jahren bekam Griechenland von der EU 100 Millionen Euro, um Grundbücher anzulegen. Aber der Erfolg ist so total ausgeblieben, dass jetzt die EU das Geld zurück will. Die Unfähigkeit griechischer Beamter hat sich da mit dem Interesse jener zu einem undurchdringlichen Dickicht vermischt, die vom Chaos profitieren.

 

Ich schreibe in jeder Nummer der Finanz- und Wirtschafts-Wochenzeitung „Börsen-Kurier“ die Kolumne „Unterbergers Wochenschau“.

 

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