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Unsere Pensionen, der Europäische Gerichtshof und der Wahltag

Die EU-Kommission hat es klar gesagt. Sozialminister Hundstorfer hat es zumindest angedeutet. Dann hat es auch Finanzministerin Fekter betont, sie bekommt aber dafür Prügel vom eigenen Koalitionspartner. Womit sich zeigt: Der Wahlkampf ist voll eröffnet. Logik, Vernunft und Grundrechnungsarten bleiben dabei endgültig auf der Strecke.

Die EU-Kommission hatte die Lage der österreichischen Staatsfinanzen in nüchternen, aber auch ernüchternden Worten deutlich gemacht: Weder die hohe Verschuldung noch das gegenwärtige Pensionssystem können aufrechterhalten werden; da müsse dringend etwas geschehen.

Diese – für Tagebuchleser nicht gerade neue – Erkenntnis ist erfreulicherweise auch irgendwie schon beim Sozialminister angekommen, obwohl der als alter Gewerkschafter normalerweise nicht gerade an der Spitze der Reformfreunde zu finden ist. Immerhin hat Rudolf Hundstorfer angedeutet, dass (wenigstens) nach der Wahl über eine raschere Erhöhung des derzeit noch auf 20 weitere Jahre einbetonierten Frauenpensionsalters geredet werden könnte. Das ist zwar in der Sache eigentlich alternativlos, aber für einen Sozialdemokraten fast sensationell revolutionär.

Ein paar Tage später hat dann Maria Fekter die Warnungen der EU-Kommission zitiert. Aber jetzt fährt ihr sofort der (eigentlich ressorteigene!) SPÖ-Staatssekretär Schieder vehement über den Mund. Nix da. Bei den Pensionen wird nichts verändert. Da Herr Schieder aber sehr ehrgeizig ist und unbedingt noch mehr werden will, während Hundstorfer zumindest bisweilen schon den Altersmut zur Wahrheit zeigt, ist klar: Schieders Linie ist jene der SPÖ. Damit zerstäubt nun die letzte Hoffnung, dass eine neue rot-schwarze Koalition (also das, was vor Jahrzehnten noch eine „große“ war) irgendetwas anderes werden könnte als eine wirklich gefährliche Drohung.

Da es hier nicht um eine Randfrage, sondern um die wohl wichtigste Herausforderung für Österreich geht, wird man jetzt umso genauer die anderen Parteien beobachten müssen. Das sollte man zumindest dann tun, wenn man irgendwie noch Zukunftshoffnungen hegen will.

Wird die FPÖ trotz ihres Hangs zum Populismus und trotz ihrer derzeit rückläufigen Umfrageergebnisse in Sachen Pension mehr Verantwortungsbewusstsein zeigen als die SPÖ? Wird Frank Stronach es in seinen Wortschwurbeleien vermeiden, irgendwelche Pensionsgarantien abzugeben? Wenn beide Hoffnungen erfüllt werden, dann gibt es eine solche auch für Österreich. Es sei denn, die ÖVP lässt sich wieder von der Wirtschaftskammer in eine neue rot-schwarze Eiszeit zwingen oder gar in den totalen rot-schwarz-grünen Winter.

Damit keine Irrtümer entstehen: Bei den Pensionen geht es keineswegs nur um das Frauen-Antrittsalter. Es geht auch um eine Anpassung aller anderen Pensionsbeginn-Termine an die (erfreulicherweise) weiter steigende Lebenserwartung und Gesundheit. Es geht um die sofortige Abschaffung von Witwen/Witwer-Pensionen für Kinderlose. Es geht um die versicherungsmathematische Anpassung der Pensionshöhe an die Höhe der Einzahlungen.

Und es geht auch um die Reparatur des bisher weitgehend geheimgehaltenen Skandals bei der jüngsten Mini-Pensionsreform: Dabei war zwar fixiert worden, dass junge Menschen nicht gleich lebenslang in eine Invalidenpension gehen können. Aber insgeheim wurden die Zahlungen an solche potenziellen Invaliden auf ein Vielfaches erhöht. Sodass das Ergebnis der letzten Reform statt eines Weniger ein Mehr an Kosten sein dürfte. Dass dieses Mehr halt aus anderen öffentlichen Kassen gezahlt wird, ist in Wahrheit total egal.

Die größte Katastrophe droht vom EuGH

Überhaupt zur Katastrophe könnten aber zwei Rechtsstreitigkeiten werden, die beim Europäischen Gerichtshof anhängig sind. Diese sind zwar in der Öffentlichkeit noch überhaupt nicht bekannt. Denn die Koalition und ihre Medien versuchen die Gefahren noch totzuschweigen; und sämtliche Oppositionsparteien sind pensionsrechtlich sowieso ahnungslos. Aber beide Verfahren haben gewaltige Explosivkraft.

Beide Male geht es um die von den (drei bis vier) Regierungsparteien des letzten Jahrzehnts populistisch weit über die Zuwächse der sonstigen Pensionserhöhungen hinaus gesteigerten Ausgleichszulagen.

Einmal geht es um die im Tagebuch schon öfters aufgegriffenen Zahlungen an zuziehende Rentner etwa aus Rumänien. Dort kommen ja viele Menschen im Alter kaum über Hundert Euro im Monat. In Österreich stehen jedem Pensionisten hingegen mindestens 837 Euro zu (Ehepaaren sogar 1255). Nun haben die Behörden versucht, sich gegen einen solchen Pensionistenzuzug dadurch zu wehren, indem sie streng prüfen, ob die Menschen auch ohne diese Ausgleichszulage selbsterhaltungsfähig sind.

Mit anderen Worten: Diese Menschen aus den neuen EU-Ländern müssten derzeit eine fünfstellige Summe Geldes vorweisen können. Das haben die meisten nicht, es sei denn, sie arbeiten mit irgendwelchen Umgehungs-Tricks (die freilich für Schlepperbanden nicht so schwer sein dürften). Daher gibt es noch nicht viele, die von diesem Ausgleichszulagen-Anspruch profitieren.

Aber ist diese Prüfung der Selbsterhaltungsfähigkeit überhaupt EU-rechtens? Der juristische Boden für diesen österreichischen Versuch, Zehntausende Sozial-Immigranten aus armen EU-Ländern abzuhalten, ist zumindest brüchig. Denn vor Judikaten des oft sehr realitätsfremden EuGH muss die Republik jedenfalls zittern. Nicht nur aus der schockierenden Erfahrung des einstigen Medizinstudenten-Spruchs, sondern auch deshalb, weil die Koalition Maria Berger vom linken SPÖ-Rand als Richterin dorthin entsandt hat.

Beim zweiten Rechtsstreit vor dem EuGH muss Österreich noch viel mehr zittern. Auch hier geht es um die Ausgleichszulagen. Diesmal stehen überwiegend Frauen aus dem Balkan oder der Türkei im Mittelpunkt, die auch einige wenige Jahre Pensionsanspruch in Österreich erworben haben. Zusammen mit in ihrer Heimat (wirklich oder angeblich) erworbenen Zeiten erreichen viele von ihnen gerade die für eine Zahlung aus österreichischen Pensionskassen nötigen 15 Beitragsjahre. Diese Jahre ergeben aber auch in Österreich nur eine kleine Pension; eine solche wird nach österreichischem Recht auf die Ausgleichszulage erhöht.

Was aber ist, wenn die Frau (im Pensionsversicherungsdeutsch: die Anspruchsberechtigte) im Ausland lebt, etwa wieder in der alten Heimat? Dann streicht Österreich derzeit – noch – die Ausgleichszulage wieder weg, für die ja nie etwas eingezahlt worden ist. Denn die Republik sieht diese Zulage als Sozial- und nicht als Pensionsleistung an. Für Sozialleistungen ist das Aufenthaltsland zuständig (beispielsweise Polen oder die Türkei), und nicht jenes Land, wo irgendwann einmal Pensionsversicherungsbeiträge eingezahlt worden sind (beispielsweise Österreich).

Ist Österreichs Argumentation logisch? Nun ja. Rechtsexperten halten die Karten der Republik für ziemlich schlecht. Für eine Verurteilung der Republik genügt dem EuGH etwa ein Blick auf die vom Bundeskanzleramt gestaltete Seite help.gv.at. Dort kann jeder EU-Richter nämlich lesen: „Jeder Pensionsantrag wird auch als Antrag auf Ausgleichszulage gewertet.“ Es wird den Republiksjuristen daher ziemlich schwer fallen, etwas als Sozialleistung darzustellen, für das nicht einmal ein eigener Antrag neben jenem auf Pension ausgefüllt werden muss.

Eine Niederlage in dieser Auseinandersetzung wird Österreich sehr viel Geld kosten. Und es ist durchaus fraglich, ob dann ein schon von manchen ins Auge gefasster kompletter Umbau des Sozialsystems gelingen wird, also die Verwandlung der Ausgleichszulage in eine Sozialleistung. Und noch fraglicher ist, ob dieser Umbau dann irgendwann doch vom EuGH anerkannt werden wird. Abgesehen von den juristischen Risken ist die Ausgleichszulage vor allem für die Sozialdemokraten eine Heilige Kuh, die freilich bisher auch für den ÖAAB unantastbar gewesen ist.

Geht dieses, gehen gar beide Verfahren verloren, dann ist Feuer an Bord. Die Koalitionspolitiker können derzeit im Interesse ihrer Wahlchancen nur hoffen und bangen, dass keiner der beiden Rechtsstreite vor dem Wahltag entschieden wird, und dass die Öffentlichkeit die Gefahr bis dahin nicht mitkriegt. Und wir müssen in jedem Fall hoffen, dass auch in der SPÖ doch einmal alle Entscheidungsträger erkennen, wie sehr unser Pensionssystem ohne tiefgreifende Änderungen gegen die Wand donnert.

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