Ein faires Verfahren in Österreich: Wunsch und Wirklichkeit

Siegfried M., vierfacher Vater und ehemaliger Kriminalbeamter, wurde von seinem Dienstgeber vielfach ausgezeichnet und belobigt. Im Rahmen seiner Tätigkeit hat er sich mehrfach massiv gegen vorgetäuschte Sachverhalte durch Frauen und Mütter gestellt, die den §38 Sicherheitspolizeigesetz missbräuchlich dazu verwendeten, ihre nicht mehr gewünschten Partner durch eine ungerechtfertigte Wegweisung loszuwerden. „Die Damen vom Frauenhaus wollten mir fast aufzwingen, was ich zu schreiben habe“, so der Angeklagte. „Wenn ich sage, die Frau wurde bedroht, dann wurde sie bedroht“, lauteten Äußerungen der Frauenvertreter.

Im Unterschied zu vielen seiner Kollegen prüfte Siegfried M. genau, ob Wegweisungen und andere Amtshandlungen berechtigt waren, welche die Anzeiger, unter anderem Mitarbeiter der Wiener Frauenhäuser, telefonisch eingefordert haben. Mehrfach wurde dies von ihm auch verneint. Nun wurde er anscheinend selbst Opfer einer solchen Kampagne.

Die Anschuldigungen, die jetzt gegen ihn erhoben werden, reichen von gefährlicher Drohung über Nötigung bis zu fortgesetzter Gewaltanwendung gegen Unmündige. Immer öfter wird man mit derartigen Fällen konfrontiert. Kaum befindet man sich im Pflegschafts- und Obsorgeverfahren, folgt auch schon ein initiiertes Strafverfahren mit den abstrusesten Behauptungen.

In sogenannten "Gefährlichkeitsanalysen" werden die „Täter“ von Beamten des Landeskriminalamtes bereits analysiert, ohne dass diese sie je gesehen haben. Gleiche Wortwahl der angeblichen Straftaten bei beantragten Einstweiligen Verfügungen stechen immer öfter ins Auge.

Bei Siegfried M. ist jedoch auch eine Beamtin des Innenministeriums involviert, die sogar so weit ging, die Kinder mehrfach im Frauenhaus zu besuchen und ihnen – so nach eigenen Angaben der Kinder – vermittelte, sie müssten ins Ausland „verschifft oder verflogen" werden, damit ihnen der gefährliche Papa nichts antun können. Nur so könnten sie wirklich sicher vor ihm sein.

Die von der Staatsanwaltschaft beigezogene Sachverständige, eine Kinderpsychologin, stellte jedoch fest, dass durch diese Vorgangsweise eine Induzierung eines extrem gefährlichen Vaterbildes entstanden ist, und die Kinder selbst Erlebtes von Erzähltem nicht mehr unterscheiden können! Der Angeklagte saß in U-Haft unter anderem wegen Verdunkelungsgefahr. In der Zwischenzeit wurden seine Kinder massiv von allen Seiten manipuliert.

Bereits am ersten Prozesstag am 28.August 2012 vor dem Wiener Landesgericht für Strafsachen Wien gab es eine massive mediale Vorverurteilung, die nur zum Ziel hatte, Stimmung gegen den pensionierten Polizeibeamten zu machen.

So berichteten sämtliche Medien über genaue Aktendetails, die offensichtlich von am Prozess beteiligten Personen stammen mussten, da sie teils wörtlich Akteninhalte wiedergaben. Die in der Verhandlung bereits aufgezeigten Widersprüche blieben unerwähnt. Diese hätten offensichtlich nicht in das von der Presse vorverurteilende Bild des „Haustyrannen“ gepasst.

Dazu gehört, dass die Ehegattin des Angeklagten nicht nur viele Sachen des Angeklagten gestohlen, seine persönlichen Dokumente unterdrückt, vor allem jedoch sämtliche dem Angeklagten dienliche Beweismittel – wie Familienfotos und Videos der angeblich jahrelang misshandelten Kinder – mit Unterstützung einer Polizeibeamtin, beiseite geschafft hat.

Die Staatsanwaltschaft, die eigentlich zur absoluten Objektivität verpflichtet ist, hat den von der Verteidigung gestellten Antrag auf Hausdurchsuchung bei der Ehegattin und bei der ebenfalls verdächtigten Polizeibeamtin seit zwei Monaten negiert. Dies wohl deshalb, da sich aus den Fotos und Videos ein ganz anderes Familienbild ergeben hätte, und da dann auch die angeklagten Tatvorwürfe nicht aufrechterhalten hätten werden könnten.

Auch die vom Angeklagten gegen die Ehegattin eingebrachte Privatanklage wegen der strafbaren Handlungen gegen den Angeklagten wurden vom zuständigen Bezirksgericht Döbling zwei Monate nicht bearbeitet und erst danach mit einer Äußerungsfrist von einem Monat(!) der beschuldigten Ehegattin zur Äußerung zugestellt. Der Akt liegt, laut Auskunft der zuständigen Abteilung, auf „Kalender“ - das heißt er ruht, man wartet . . .

Wie einseitig die staatlichen Verfolgungshandlungen erfolgen, wird auch daraus ersichtlich, dass der Angeklagte unter anderem auch wegen Urkundenunterdrückung des bereits seit fast fünf Jahre abgelaufenen und somit unbrauchbaren Reisepasses angeklagt wurde.

Die Urkundenunterdrückung der persönlichen Urkunden des Angeklagten, wie Staatsbürgerschaftsnachweis, Geburtsurkunde etc., durch die Ehegattin wird jedoch auch mehr als zwei Monate nach erstatteter Anzeige und Beantragung der Hausdurchsuchung von der Staatsanwaltschaft nicht verfolgt! Durch die Untätigkeit der Staatsanwaltschaft hätten sämtliche angezeigten Personen auch genügend Zeit gehabt, um Material, das den Angeklagten entlastet, verschwinden zu lassen. Die Verteidigung erhebt gegen die Staatsanwaltschaft Wien daher nunmehr eine Beschwerde wegen Rechtspflichtenverletzung.

In der zweiten Hauptverhandlung sprach die Ehegattin des Angeklagten in einem nahezu ununterbrochenen Sprechfluss über ihr angebliches „Martyrium“ und erhob  -  wohl für alle Anwesenden, selbst die eigene Opfervertreterin  völlig überraschend  -  nach fast 11 Monaten neue Anschuldigungen. Der Angeklagte soll seine Gattin nunmehr angeblich auch dadurch gefährlich bedroht haben, indem er sogar dem Baby den Revolver an den Kopf angesetzt  hätte, sowie auch mit der Erschießung seiner jüngsten Tochter gedroht haben soll.

Diese Umstände habe die Frau in ihren bisherigen drei Vernehmungen vor der Staatsanwältin deshalb nicht erwähnt, da sie, „niemand danach gefragt hätte“,  und „der Fokus auf etwas anderes gerichtet gewesen wäre“!  Auch diese "Nachlege -Taktik" ist nichts Ungewöhnliches und kann leider immer wieder festgestellt werden.

 

Es kam jedenfalls zu einer sofortigen Ausdehnung der Anklage. Ob auch Falschaussagen des Opfers, die sich in der gleichen Verhandlung durch die Einvernahme dreier Polizisten ergeben haben, zur Anklage kommen oder so wie der Diebstahl und die Urkundenunterdrückung auf „Kalender“ gelegt werden, wird man hingegen erst sehen.

 

Weiteres Detail am Rande: Mit der Übermittlung des ersten Hauptverhandlungsprotokolls wurde irrtümlich auch gleich die gesamte Urteilsverkündung im Sinne eines vollinhaltlichen Schuldspruchs zugestellt! Das war also noch vor der Vernehmung auch nur eines Zeugen.

Dem, durch die Verteidigung gestellten Ablehnungsantrag gegen die Vorsitzende des Schöffensenats folgte, bereits am nächsten Tag, ein persönlicher Anruf des Präsidenten des LG für Strafsachen Wien in dem sich dieser persönlich für diesen „Irrsinn“ entschuldigte. Nach seinen Worten habe die Schriftführerin in völliger Eigeninitiative, ohne Kenntnis und Auftrag der Richterin, zwecks Arbeitserleichterung im Falle eines Schuldspruchs bereits den „verurteilenden“ Urteilsvermerk ausgefertigt gehabt.

Die schriftliche Begründung ist jedoch nicht ganz verständlich: „VB S. bedauerte ihre Vorgangsweise und bestätigte, dass sie die Löschung der von ihr in Eigenregie vorbereiteten Urteilsverkündung versehentlich vergessen habe.“

Was soll heißen: die Löschung versehentlich vergessen? Was für einen Sinn soll die Erstellung des Urteilstextes gehabt haben, wenn er ohnedies für die Löschung vorgesehen war?

Wie aber fühlt man sich als Angeklagter, der bereits vor Eröffnung des Beweisverfahrens seine Verurteilung in die Hände bekommt, dessen entlastendes Beweismaterial gestohlen wird, wobei die Staatsanwaltschaft bis jetzt untätig zusieht und nur auf seine Verurteilung wartet?

Mag. Michaela Krankl ist Juristin und Strafverteidigerin in einer Wiener Rechtsanwaltskanzlei. Sie wurde 2010 am Children's Planet Award für ihren Einsatz zur praktischen Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention ausgezeichnet.

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