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Die ÖVP schafft sich ab

Asterix-Leser kennen den „Running gag“: Einmal pro Band werden die Seeräuber von den unbeugsamen Galliern versenkt; außer in einer Episode, in der die Freibeuter, als sie der Gallier ansichtig werden, rasch ihr Schiff selber Leck schlagen und versenken, um den Galliern den Triumph nicht zu gönnen. Was das mit der österreichischen Innenpolitik zu tun hat?

Sehr viel, denn die Seeräuber erinnern stark an die ÖVP. Eine Partei, die gar nicht darauf wartet, dass sie der politische Gegner angreift; sie schafft die Selbst-Kannibalisierung mühelos, wie wir alle in den letzten Wochen miterleben dürfen.

Eigentlich hat die SPÖ ein Problem, denn die Staatsanwaltschaft attestiert ihrem Parteiobmann und Bundeskanzler im Zuge der Verwendung von öffentlichen Geldern ausgegliederter Unternehmen für Eigenwerbung eindeutige „Schutzbehauptungen“; das ist die juristisch noble Formulierung für das Lügen eines Beschuldigten. Faymann ist dabei in guter – besser gesagt: schlechter – Gesellschaft: Schon Fred Sinowatz wurde bekanntlich wegen falscher Zeugenaussage rechtskräftig verurteilt.

Und es ist auch nicht das erste Mal, dass Faymann die Unwahrheit sagt. Es sei an den legendären Brief an die „Kronen Zeitung“ erinnert, in dem Faymann in Richtung EU versprochen hatte, dass „zukünftige Vertragsänderungen, die die österreichischen Interessen berühren, durch eine Volksabstimmung in Österreich entschieden werden sollen“. Schon damals war klar, dass gravierende Vertragsänderungen anstehen, aber Faymann war das egal. Er wollte die Wahl gewinnen, und dazu war die Unterstützung der „Kronen Zeitung“ essentiell. Sogar Armin Wolf fühlte sich von der SPÖ „am Schmäh gehalten“, weil es angeblich keinen Termin gab, das Faymann-Gespräch vorab aufzuzeichnen. Das war ebenso die Unwahrheit wie das „Studium“ im Faymann‘schen Lebenslauf.

In jedem Land, das nicht die Banane im Wappen führt, wäre so ein Politiker schon längst zurückgetreten, nicht so hierzulande: Der Kanzler, seine Regierungskollegen sowie auch andere Politiker werfen täglich mit vollen Händen unser Steuergeld in den Rachen der Boulevardzeitungen.

Schon 2010 stellte der anerkannte Politologe Fritz Plasser in seriösen Untersuchungen fest, dass im Wahlkampf 2008 der Kanzlerkandidat Faymann „von der ‚Kronen Zeitung‘ nachhaltig durch explizite und implizite Wahlempfehlungen gefördert wurde“, und dass damit die „Kronen Zeitung“ zu einem „Gravitationszentrum der Innenpolitik“ geworden war. Die wahlausschlaggebende Unterstützung diverser Medien ist mittlerweile demoskopisch erwiesen. Eine aktuelle Studie des Politologen bestätigt zudem den Zusammenhang zwischen Inseratenschaltungen und wohlwollender Berichterstattung.

Über 100 Millionen Euro jährlich

Dennoch haut ein Michael Spindelegger nicht auf den Tisch und sagt: „Machen wir ein Gesetz, das derartige Regierungsinserate – die es, nota bene, in diesem Ausmaß in keinem zivilisierten Land der Welt gibt – unmöglich macht. Ersparnis für den Bürger und Steuerzahler: über 100 Millionen Euro im Jahr.“ Der Grund dürfte einfach sein: Selbst ÖVP-Politiker beteiligen sich – wenn auch in geringerem Ausmaß – an dieser üblen Praxis, in der dümmlichen Hoffnung, sich durch Einschaltungen in den Krawallzeitungen ebenfalls Sympathien zu kaufen. Die Fellners, die Hintermänner der Gratiszeitschrift „Heute“ – verdächtig stark im SPÖ-Dunstkreis angesiedelt – sowie die anderen nahestehenden Medien lachen sich ins Fäustchen, nehmen dankend das Steuerzahlergeld und fühlen sich nach wie vor dem „lieben Werner“ verpflichtet.

Es wäre für die ÖVP nicht nur anständig, sondern auch intelligent, diese korrupten Praktiken zu unterbinden, aber es ist ja kein Geheimnis, dass die ÖVP seit Jahrzehnten keine Medienpolitik hat – von den Printmedien bis zum ORF. Und da ist es von der Naivität bis zur Dummheit nur ein kleiner Schritt. Anscheinend begreift niemand in dieser Partei, dass das konsequente Anfüttern der Massenmedien (mit Steuergeld) auch den nächsten Wahlgang entscheiden wird. Die ÖVP hat dieser geballten Medienmacht nichts entgegenzusetzen, und die Ungleichgewichte werden täglich größer.

Die nächste Wahl werden nicht die Berichte in „Presse“ oder „Kurier“ entscheiden, denn allein die „Kronen Zeitung“ hat mit über 2,7 Millionen Lesern täglich knapp so viele Leser wie acht andere österreichische Tageszeitungen miteinander („Presse“, „Standard“, „OÖ Nachrichten“, „Salzburger Nachrichten“, „Tiroler Tageszeitung“, „Vorarlberger Nachrichten“, „Kurier“ und „Kleine Zeitung“)! Und dabei wurden die Jubelblätter „Heute“ (935.000 Leser), „Österreich“ (734.000) und „News“ (666.000 Leser) noch gar nicht berücksichtigt. Kein Wunder, dass der Wiener Bürgermeister zynisch-realistisch meinte: „Der Standard und die Presse sind für die demokratische Hygiene wichtig. Als Bürgermeister brauche ich sie nicht. Ich brauche Krone und News.“

Ähnliches hatte vor ihm schon der deutsche SPD-Kanzler Gerhard Schröder festgestellt: „Zum Regieren brauche ich nur Bild, Bams [Bild am Sonntag] und Glotze“. Es ist tröstlich, dass auch er abgewählt wurde, aber in Deutschland gibt es keine Bestechungsinserate für Zeitungen und der öffentliche Rundfunk hat dort nicht so eine Schlagseite wie hierzulande.

Hausgemachte Selbstfaller

Darum hat nicht die SPÖ ein Obmann-Problem, sondern die ÖVP, die zusätzlich zum medialen Gegenwind auch serienweise hausgemachte Selbstfaller produziert. Darin war die ÖVP schon immer gut, man denke an den Einsturz der Reichsbrücke anno 1976; damals ist nicht etwa der Wiener SPÖ-Bürgermeister Leopold Gratz zurückgetreten. Weit gefehlt! Franz Bauer, der damalige Obmann der Wiener ÖVP, musste den Hut nehmen. Und auch andere Führungsdiskussionen in der ÖVP sind noch gut in Erinnerung.

Dazu kommt, dass bei wichtigen Fragen in den letzten Jahren die ÖVP – nach anfänglichem großen Getöse – immer wieder umgefallen ist, von der „Homo-Ehe“ über die neue Mittelschule bis zu „keine neuen Steuern/Steuererhöhungen“ im Zuge von so genannten Sparpaketen, die sich dann letztlich immer noch als Belastungspakete dargestellt haben. Und auch der dümmliche „Her mit dem Zaster“-Sager ist wohl noch vielen Wählern in Erinnerung.

Frei nach Thilo Sarrazin könnte man sagen: „Die ÖVP schafft sich ab“. Man könnte darüber achselzuckend zur Tagesordnung übergehen, wäre das restliche Parteienangebot nicht so erschreckend inferior. Schon fragen sich im „Standard“ besorgte Kommentatoren „Ist das moderne Bürgertum abgemeldet?“ und sie verweisen zu Recht auf die Tatsache, dass nach einem Zerreißen der bürgerlichen Partei der Mitte ein demokratiepolitisch gefährliches Vakuum entstehen würde, das von keiner der derzeit bestehenden Parteien gefüllt werden könnte.

Es kann also niemandem in Österreich, egal ob Mitglied, Sympathisant oder Gegner, gleichgültig sein, wie es mit der ÖVP weitergeht. Aber wenn ein Parteichef ein Jahr vor der Wahl sein Team umbauen möchte, das aber nicht kann, weil etwa ein Klubobmann, der erwiesenermaßen überfordert ist, „im Wirtschaftsbund gut vernetzt ist“ – oder weil ein Gewerkschafts-Dinosaurier nicht zum Rücktritt bewegt werden kann, da er im ÖAAB offenbar unabkömmlich ist – dann macht sich eine Partei lächerlich. Zu den bekannten bündischen, Bundesländer-spezifischen und persönlichen Problemen kommen aber auch noch gravierende „handwerkliche“ Defizite: Vom mangelnden Agenda-Setting bis zu einem dilettantischen Parteimanagement, garniert mit einer Kakophonie von Meinungen, von der Schulpolitik über Bundesheerfragen bis zur Strategie im Untersuchungs-Ausschuss.

Die ÖVP, die immer Österreichs Europapartei war, müsste doch schon längst erkannt haben, dass in der EU so manches aus dem Ruder läuft und entsprechende Vorschläge zum Gegensteuern unterbreiten. Aber es gibt von der ÖVP keinen Aufschrei gegen die Vergesellschaftung der Schulden in Europa, es gibt keinen Widerstand gegen das Gelddruck-Programm der EZB oder die geplante Beistandspflicht der europäischen Banken.

Und auch in der Innenpolitik sind die Phantasielosigkeit und die Unfähigkeit, glaubhafte, solide und realistische Entwürfe für eine Entwicklung der nächsten Jahre und Jahrzehnte vorzulegen, erschreckend.

Die ÖVP ist zur Drucklegung dieses Beitrags damit beschäftigt, Herrn Faymann die Mauer zu machen. Diese Entscheidung, die von der ÖVP damit begründet wird, dass man sich laut Koalitionspakt nicht gegenseitig überstimmen darf, wäre dann noch wenigstens verständlich, wenn etwa die ÖVP ihre „schwarzen Schafe“ ebenfalls vom Erscheinen „befreit“ hätte. Das hätte natürlich den Untersuchungsausschuss gleich zu Beginn zur Farce gemacht.

Die ÖVP hat das nicht  getan, und das war auch in Ordnung so. Sie hat es sogar zugelassen, dass ein Leichtgewicht wie Werner Amon tage-, ja wochenlang wegen eines läppischen Druckkostenbeitrags als Geldwäscher (!!) durch die Medien geprügelt wurde. Nun aber, da es nicht um 10.000 Euro geht, sondern um fortgesetzte und missbräuchliche Verwendung von der Allgemeinheit gehörenden Geldern in Millionenhöhe für die persönliche Propaganda eines Politikers, der dieses System als Wiener Wohnbaustadtrat begonnen, als Verkehrsminister perfektioniert und als Bundeskanzler ungeniert fortgesetzt hat, erinnert sich die ÖVP an den Koalitionspakt.

Apropos Erinnern: auch vor der letzten Nationalratswahl 2008 gab es einen Koalitionspakt, sich nicht gegenseitig zu überstimmen. Den hat Werner Faymann brutal entsorgt, als er in der legendären Sitzung vor der Wahl mit den anderen Parteien die ÖVP etwa bei den Studiengebühren überstimmte.

Herr Faymann wird auch den derzeitigen Koalitionspakt, wenn es in sein Kalkül passt, brechen, denn er will die nächsten Wahlen gewinnen. Die ÖVP macht es ihm schon sehr leicht.

Dr. Herbert Kaspar ist Herausgeber der ACADEMIA, deren aktueller Oktober-Ausgabe dieser Kommentar entnommen ist.

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