Italienische Polit-Justiz

Wie die Bozener Staatsanwaltschaft die Privatstiftung einer Österreicherin verfolgt und die Südtiroler Opposition zu diskreditieren trachtet.

Es war eine Premiere: Unlängst trafen die Staatsoberhäupter Österreichs und Italiens erstmals in Südtirol aufeinander. Im Kursaal von Meran, einer Stätte autonomiegeschichtlicher Symbolik für den von Italien 1918 annektierten Südteil Tirols, zeichnete Landeshauptmann Luis Durnwalder Heinz Fischer und Giorgio Napolitano – die, nebenbei bemerkt, ihre Herkunft aus tiefstem kommunistisch-linkssozialistischem Politmilieu eint – mit dem Großen Verdienstorden der Autonomen Provinz Bozen-Südtirol  aus. Die Feier war angesichts des faktischen Abbaus der Südtirol-Autonomie durch drastische Maßnahmen, welche der Römer Mario Monti ergreift, um das total überschuldete Italien vor dem Bankrott zu retten, der pure Anachronismus.

Sie fand am Jahrestag des 1946 zwischen dem damaligen österreichischen Außenminister Karl Gruber und dem seinerzeitigen italienischen Ministerpräsidenten (und Außenminister) Alcide De Gasperi unterzeichneten „Pariser Vertrages" (über Südtirol) statt. Sie stand zudem im Zeichen des „Zweiten Autonomiestatuts", das vor 40 Jahren in Kraft trat, sowie der „Streitbeilegungserklärung", welche Österreich und Italien vor 20 Jahren formell gegenüber den Vereinten Nationen (UN) abgaben, vor die Wien den Südtirol-Konflikt 1960/61 wegen Nichterfüllung des Pariser Vertrags durch Rom getragen hatte.

Man vermag sich leicht vorzustellen, in welch atmosphärischer Beweihräucherung den 500 geladenen Gästen der „Durni-Show“ – wie sowohl Vertreter der naturgemäß ferngebliebenen deutsch-südtiroler Oppositionsparteien als auch des Südtiroler Heimatbunds (SHB) sowie des Südtiroler Schützenbunds (SSB) die Veranstaltung nannten – die Autonomie der italienischen Provinz Alto Adige-Sudtirolo als „Erfolgsgeschichte" vorgestellt wurde: Als „Meilenstein der Geschichte Italiens und Österreichs“ (Durnwalder); „als Region, die sich hervorragend entwickelt“ habe (Fischer). Napolitano unterstrich zwar die Bedeutung der Südtirolautonomie; seine Bemerkung, wonach „die Umsetzung des Pariser Vertrages als Basis der Autonomiebestimmungen nicht immer einfach gewesen“ sei, kann man indes nur als untertreibende Beschönigung des römischen Verhaltens seit Ende des Zweiten Weltkriegs im Umgang mit Bozen charakterisieren.

Doch den Gipfel der Heuchelei erklomm der italienische Präsident, indem er versicherte, es werde „nie zu einer Aushöhlung der Südtirolautonomie kommen“; denn just er hat – als Staatsnotar der Repubblica Italiana – alle gesetzlichen Bestimmungen, welche das römische Parlament auf Betreiben der Regierung Monti verabschiedete und alle Ministerratsverfügungen eben derselben unterzeichnet. Er hat damit die verbriefte Selbstverwaltung für Provinz und Region – mit der Provinz Trient ist die Provinz Bozen-Südtirol in der Regione Autonoma Trentino-Alto Adige gemäß Erstem Autonomiestatut von 1948 zwangsvereint – entscheidend unterminiert. Und wer wollte angesichts eines Falles offenkundiger Politjustiz, der sich auf Betreiben der italienischen Justizbehörden in Bozen zuträgt, schon Napolitano glauben, der in Meran selbstgefällig sagte, „Missverständnisse zwischen den Institutionen", wie sie derzeit bestünden, könnten „auf dem Verhandlungswege“ beiseite geräumt werden?

Die Skandal-Causa

Diese Causa, welche – auch und besonders unter rechtsgeschichtlichen Aspekten – eine von mehreren darstellt, bei denen am rechtsstaatlichen Vorgehen der italienischen Strafverfolgungsbehörden Zweifel angebracht sind, berührt die Justizbehörden Österreichs, Liechtensteins und Deutschlands unmittelbar und spricht allen salbungsvollen Festreden hohn, wie sie in Meran gehalten worden sind.

Worum es dabei geht? Guido Rispoli, Leitender Oberstaatsanwalt im Bozener Justizpalast, lässt seit zwei Jahren gegen Kuratoren der in Liechtenstein ansässigen Laurin-Privatstiftung ermitteln. Die Stiftung, in welche Helga Christian, die in Australien lebende Tochter eines Wiener Industriellen, 1966 große Teile ihres beachtlichen ererbten Vermögens einbrachte, unterstützt vornehmlich in Not geratene Bergbauern, die in Steillagen an der Baumgrenze wirtschaften und meist einen Stall voller Kinder zu ernähren haben. Gelder fließen aber auch in die Kulturarbeit Südtirols: So erhalten Trachtenvereine, Schützenkompanien, Heimat- und Gesangvereine, Kindergärten, Kulturheime und Kirchen Unterstützung aus den in Liechtenstein angelegten, verwalteten und vom Stiftungskuratorium freigegebenen Mitteln.

Was in erster Linie Begünstigten der deutsch(-österreichisch)en Volksgruppe frommt, ist anderen ein Dorn im Auge. Weshalb der (Über-)Eifer des Guido Rispoli hauptsächlich klingenden Namen einiger Kuratoriumsmitglieder geschuldet ist: Erhard Hartung gehört dem Stiftungsgremium an, ebenso Peter Kienesberger; die beiden in Deutschland lebenden Österreicher zählen zu den in ihrer Heimat einst für tapfer gehaltenen Südtiroler Freiheitskämpfern, von denen sich das Gutmenschentum heute politisch korrekt distanziert. Auch der Kärntner Arzt Otto Scrinzi, gebürtiger Tiroler und ehedem FPÖ-Nationalratsabgeordneter, stand bis zum Ableben Anfang dieses Jahres auf Rispolis Ermittlungsdekreten – neben einigen anderen und, selbstredend, der Stifterin.

Bei soviel – mit Unterfütterung aus der Antifa-Truppe, vornehmlich aus dem stark linkslastigen „Dokumentationszentrum des österreichischen Widerstands“ (DÖW) – behaupteter „Rechtslastigkeit“ kann man sich unschwer ausmalen, mit welchem verschwörungstheoretischen Ballast sich der ehrenwerte Herr Rispoli und seine eilfertigen Stichwortgeber herumschlagen, die neuerdings selbst in Kreisen des „deutschtirolischen“ Bozener Bürgertums und der seit 1945 regierenden SVP (Südtiroler Volkspartei) mitsamt deren publizistischem Gefolge zu finden sind.

Rispolis Interesse am Tun der Stiftung wurde im Zuge einer Presse-Kampagne geweckt, als die in Bozen erscheinende italienische Zeitung „Alto Adige“ zu behaupten begann, die Laurin-Stiftung habe die oppositionellen Südtiroler Freiheitlichen finanziert. Was diese genauso vehement bestreiten wie die ursprünglich laut Rispoli angeblich ebenso bedachten Parteien Süd-Tiroler Freiheit und Bürger-Union für Südtirol, vormals Union für Südtirol (UfS). Andere Blätter zogen nach und droschen mit der Faschismuskeule auf Stiftung und Kuratoriumsmitglieder ein. Dass Funktionäre der SVP eng mit der Laurin-Stiftung zusammenarbeit(et)en, ist dabei ebenso tunlichst verschwiegen worden wie der Umstand, dass die Sammelpartei wie die von ihr gestellten Mitglieder der Südtiroler Landesregierung jahrzehntelang den Geldfluss aus Liechtenstein via Österreich wohlwollend beäugten.

Früher waren in ärmlicheren Verhältnissen lebende Südtiroler darauf ebenso angewiesen wie auf die Unterstützung der „Stillen Hilfe“ aus Österreich und Bayern, die der Münchner Unternehmer Gerhard Bletschacher organisierte. Heute, da Südtirol zu den finanziell üppiger ausgestatteten Landstrichen Europas gehört, rümpft man darüber eher die Nase und applaudiert dem Tun Rispolis, der Verkörperung der von nicht wenigen ungeliebten italienischen Staatsmacht. Ganz zufällig war sein Bruder Andrea Rispoli bis Ende August dieses Jahres als Carabinieri-Oberst Kommandant aller in Südtirol stationierten Angehörigen der kasernierten Polizei, die Teil der italienischen Streitkräfte sind.

Österreichische & Deutsche Gerichte verweigern Rechtshilfe

Rispoli sieht in der Stiftung offenbar eine staatsfeindliche Geheimorganisation. In Bozen ließ er 2011 ein Büro der Laurin-Stiftung durchsuchen. Und im Frühjahr rückte er mit Mitarbeitern einer Steuersondereinheit der italienischen Finanzwache in Nürnberg an und führte im Verein mit der dortigen Strafverfolgungsbehörde bei Stiftungskurator Peter Kienesberger und dessen Ehefrau Elke eine Hausdurchsuchung sowie die Beschlagnahme eines Computers, einiger Speichermedien sowie schriftlicher Unterlagen durch. Dem ging ein Rechtshilfeersuchen Rispolis voraus, dem das Amtsgericht Nürnberg entsprochen hatte und wogegen das Ehepaar Kienesberger Beschwerde beim zuständigen Oberlandesgericht (OLG) einlegte.

Dieses stellte die Unrechtmäßigkeit des Vorgangs fest und entschied (Aktenzeichen 1 OLG Ausl 166/11), dass „die Leistung von Rechtshilfe aufgrund des Rechtshilfeersuchens der Staatsanwaltschaft Bozen vom 31.03.2011/26.04.2011 (Nr. 6610/10 R.G.N.R.) unzulässig ist (...) Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth hat deshalb die sichergestellten Unterlagen an die jeweils Berechtigten zurückzugeben." Dies stellt (nicht nur) nach Auffassung des FPÖ-Nationalratsabgeordneten Werner Neubauer, Mitglied im Südtirol-Ausschuss des österreichischen Parlaments, „eine einzige Zurechtweisung und rechtsstaatliche Belehrung der italienischen Staatsanwaltschaft in Bozen dar".

Das OLG Nürnberg kam in seinem Urteil zu dem Befund, wonach die italienischen Behörden „nicht einen abgeschlossenen strafrechtlich relevanten Sachverhalt" überprüf(t)en, sondern „das Wirken einer Stiftung, deren Aktivitäten andauern und deshalb auch in Zukunft immer wieder Gegenstand staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen und entsprechender Rechtshilfeersuchen sein können. Aktuell wird dies dadurch belegt, dass die Staatsanwaltschaft Bozen erneut ein Rechtshilfeersuchen an Österreich gestellt hat, obwohl ein vorangegangenes bereits abgelehnt worden war“.

Der „auch darin geltend gemachte Verstoß gegen die italienische Abgabenordnung“ lässt sich gemäß Nürnberger OLG-Urteil „dem geschilderten Sachverhalt nicht entnehmen.“ Auch in Liechtenstein, dem Sitz der Laurin-Stiftung in Vaduz, und in Österreich hatte Rispoli solche Durchsuchungen durchführen (lassen) wollen, doch die Justizbehörden beider Länder lehnten seine Rechtshilfeersuchen ab. Die Staatsanwaltschaft Innsbruck beschied ihm, sein Tatvorwurf stelle ein politisches Delikt dar, für das keine Rechtshilfe geleistet werden könne.

Was Rispoli bestreitet. Doch die Fakten „sprechen dafür, dass er lügt“, wie Neubauer feststellt. Er nennt „die unverhüllt politisch motivierte versuchte Kriminalisierung von Südtiroler Politikern durch die italienische Staatsanwaltschaft Bozen im Zusammenhang mit einer karitativen Stiftung“ einen „Justizskandal erster Ordnung“ und hat Justizministerin Beatrix Karl (ÖVP) – Jus-Professorin an der Karl-Franzens-Universität Graz – ersucht, „die Ihnen untergeordneten Stellen anzuweisen, keine unüberlegten Entscheidungen zu treffen, ehe nicht die Rechtslage in Bezug auf den politischen Charakter dieses Falles genau geprüft und abgeklärt ist.“

Politische Verstrickungen in diverse Richtungen

Neubauer stützt sich unter anderem darauf, dass Rispoli laut  „Ausgabe der italienischen Tageszeitung ,Alto Adige' vom 12. September 2012 wörtlich behauptet“ habe: „Gegen keinen Landtagsabgeordneten und gegen keinen Südtiroler Bürgermeister ist bei der Untersuchung gegen die Laurin-Stiftung ermittelt worden". Dagegen heißt es in den von Rispoli jeweils begehrten Rechtshilfeersuchen (Aktenzeichen 6610/2010 R.G.N.R.), es sollten „Unterlagen sichergestellt werden können, die sich auf die Laurin-Stiftung, auf politische Parteien Südtirols (Die Freiheitlichen, Süd-Tiroler Freiheit, Union für Südtirol), auf deren Vertreter (Pius Leitner, Ulli Mair, Eva Klotz, Sven Knoll, Andreas Pöder), auf Bürgermeister Südtirols, auf den Schützenbund u.Ä. beziehen".

Für Sven Knoll, einen der genannten oppositionellen Landtagsabgeordneten, liegt der Verdacht nahe, „dass es sich um politische motivierte Ermittlungen handelt“, da die Staatsanwaltschaft Bozen „nur jene Abgeordneten namentlich angeführt“ habe, „die eine politische Zukunft Südtirols ohne Italien anstreben“.

Wenngleich Guido Rispoli – wohl aufgrund der Schlappe, die ihm das OLG Nürnberg bereitete – die Sache vom Politischen wegzulenken und demzufolge den steuerrechtlichen Aspekt seines Vorgehens in den Vordergrund zu rücken sucht – die Stiftung habe in Wirklichkeit ihren Sitz in Bozen, von dort aus steuerpflichtige Gelder verteilt oder als Kredite vergeben, damit angeblich Steuern hinterzogen – und seine Behörde nunmehr eine Steuernachzahlung von 5,8 Millionen Euro verlangt, ist die gesamte Causa äußerst fragwürdig. Für Peter Kienesberger, der sich zusammen mit Erhard Hartung überdies an die europäische Koordinierungsstelle „Eurojust" wandte, welche auch Rispoli eingeschaltet hat, bleibt „nicht nur der Versuch, die Südtiroler Oppositionsparteien und den Schützenbund zu kriminalisieren, sondern über die Bürgermeister auch die SVP.“

Das Verhalten der Sammelpartei ist indes äußerst merkwürdig. So wusste der verstorbene Stiftungskurator Scrinzi zu Lebzeiten zu berichten, dass es „in den 20 Jahren meiner Tätigkeit über 200 bäuerliche Betriebe waren, die wir umgeschuldet haben", dass dabei „sicher 30 bis 40 Betriebe vor der Zwangsversteigerung gerettet wurden“. Die Stiftung habe dabei „von allem Anfang an mit dem Bäuerlichen Notstandsfonds, mit den Südtiroler Agrarbezirksbehörden, mit den Südtiroler bäuerlichen Organisationen und mit Landesrat Hans Berger zusammengearbeitet“ – was dieser bestätigte; „sogar der Landeshauptmann“ habe „einige Bergbauern zur Laurin-Stiftung geschickt“, hatte Scrinzi einst bekundet.

Doch mit Rispolis Vorgehen gegen die Stiftung hatten die SVP-Granden so getan, als fielen sie aus allen Wolken. Fand doch Richard Theiner, ihr Obmann, „die Nähe zu gewissen Personen eines Demokraten unwürdig". Und Landeshauptmann Durnwalder ließ sich vernehmen, es sei  „absolut nicht richtig, wenn es zweifelhafte Finanzierungen von rechtsorientierten Gruppierungen für Parteien in unserem Land gibt, noch dazu wenn dies mit dem Ziel geschieht, dass hier rechtspopulistische Propaganda damit gemacht wird." Da muss man sich nicht wundern, wenn Vertreter der Südtiroler Oppositionsparteien, auf die diese Einlassungen gemünzt waren, derlei Äußerungen für Heuchelei halten und die SVP-Führung des „Umfallertums“ bezichtigen.

Derweil schweigt der neue Ordensträger Heinz Fischer – wie Justizministerin Karl ausgewiesener, einst in Innsbruck habilitierter Rechtswissenschaftler – zu alldem. Noch vor wenigen Tagen hatte er als österreichischer Bundespräsident weihevoll verlauten lassen, dass ihm „Südtirol eine Herzensangelegenheit“ sei. Für den Abgeordneten Neubauer ist „das Schweigen unseres Staatsoberhaupts in der Stiftungs-Frage“, mit der er den außenpolitischen Ausschuss des Nationalrats zu befassen gedenkt, schlicht „beschämend“. Dem wäre eigentlich nichts hinzuzufügen – außer der historisch-politischen Überlieferung, wonach SPÖ-Abgott Bruno Kreisky von Fischer einst gesagt haben soll, wenn Entscheidungen von Brisanz angestanden seien, habe es Fischer stets vorgezogen, sich „auf’s Häusl“ zu begeben.

Herrolt vom Odenwald ist deutsch-österreichischer Journalist und Historiker, der für mehrere Zeitungen schreibt. 

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