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Die roten Meinungsmacher (17): Der Monopoltiger: Bachers Kampf gegen die Rundfunkliberalisierung

Obwohl Gerd Bacher nicht müde wird zu betonen, er mache „Rundfunk und nicht Rundfunkpolitik“[i], macht er selbstredend genau das. Die großen Umwälzungen im Medienbereich in den 80er Jahren zwingen den Tiger, an mehreren Fronten gleichzeitig für den Erhalt „seines“ Monopols zu kämpfen.

Bacher versucht den technologischen Entwicklungen, den neu entstehenden Verbreitungsmöglichkeiten für elektronische Medien und den Liberalisierungstendenzen in ganz Europa mit vier Strategien zu begegnen: „Durch technische Innovation und neun Präsentationsmethoden, durch verstärkte Kooperation mit öffentlich-rechtlichen Rundfunkanbietern in der Bundesrepublik Deutschland und in der Schweiz, durch ein Abkommen mit den Zeitungsherausgebern des Landes sowie durch eine neue Organisationsstruktur, die sogenannte Funktionslösung.“[ii]

Und er wird nicht müde in unzähligen Vorträgen gegen die „unsachliche Monopoldiskussion“[iii] und den „ORF-Kannibalismus“ zu wettern, er warnt vor einer „Demontage des ORF“[iv] und bedient die bei Sozialisten so beliebten antiamerikanischen und antikapitalistischen Klischees, wenn er vor der „McDonaldisierung der Medienkanäle“[v], dem „Manchester-Liberalismus“[vi] oder dem „Eindringen der Multis“[vii] warnt.

Mit Halb- oder Unwahrheiten à la: Der österreichische Markt sei zu klein, Rundfunk sei zu aufwendig und teuer für private Anbieter, es gäbe zu wenig freie Frequenzen etc. versucht er seinen Gegnern den Wind aus den Segeln zu nehmen. Doch diese Argumente werden angesichts der technologischen Entwicklungen und dem Fall der Rundfunkmonopole quer durch Europa zusehends stumpfer.

Waffengleichheit auf SPÖ-Art

Bacher fordert deshalb, dass private Rundfunkanbieter – wenn man sie schon nicht mehr verhindern könne – „zumindest“ die gleichen Programmauflagen erfüllen sollten wie der ORF. Er nennt das keck „Waffengleichheit“[viii], wohlwissend, dass das das Gegenteil von Gleichheit wäre. Schließlich kassiert der ORF für die mehr oder (eher) weniger korrekte Erfüllung seiner öffentlich-rechtlichen Aufgaben jährlich hunderte Millionen Schilling an Gebührengeldern.

Dieselbe Forderung, die vor allem das Ziel hat, Privatrundfunk wirtschaftlich möglichst unattraktiv zu machen, hatten die Gewerkschafter bereits 1983 in ihren „medienpolitischen Grundätzen“ aufgestellt. In dem Papier heißte es: „Alle neuen elektronischen Medien müssen den gleichen gesetzlichen Auflagen unterworfen werden wie der ORF“[ix].

Soll heißen, die privaten Rundfunksender müssen den Kultur- und Bildungsauftrag genauso erfüllen wie der ORF, mit dem Unterschied, dass sie dafür keinen einzigen Gebühren-Groschen erhalten, der ORF aber Millionen kassiert: „Waffengleichheit“ á la Bacher und ÖGB.

Der Generalintendant kämpft mit vollem Einsatz für den Erhalt des ORF-Monopols. „Klar ist, dass ich als Alleingeschäftsführer das Beste für diese Anstalt herausholen will“[x], gibt Bacher zu Protokoll. Damit kommt der „heimatlose Rechte“ auch bei vielen Sozialisten gut an.

Nach dem Motto „Angriff ist die beste Verteidigung“ fordert Bacher eine Ausdehnung der ORF-Werbezeiten auf die bisher werbefreien Sonn- und Feiertage. Das ist reichlich unverschämt, schließlich kassiert der ORF zum damaligen Zeitpunkt neben seinen Gebühren auch 60 Prozent aller österreichischen Werbegelder. Die zahlreichen Printmedien müssen sich dementsprechend mit 40 Prozent des heimischen Werbekuchens zufrieden geben. Zum Vergleich: In Deutschland können die Printmedien 80 und in der Schweiz sogar 85 Prozent lukrieren.[xi]

Allianz Bacher - VÖZ

Bachers Kalkül geht auf. Er tritt eine heftige Diskussion los und kann schließlich die aufgrund der aktuellen Entwicklungen ohnehin verunsicherten regionalen Zeitungsherausgeber auf seine Seite ziehen.

Die Zeitungen befürchten nämlich durch die „drohende“ Liberalisierung des Rundfunkmarktes einen verschärften Kampf am Werbemarkt. Einerseits weil neue potente Konkurrenten aus dem Ausland (die damals vor allem von der SPÖ viel beschworenen internationalen Medien-Multis) auf den kleinen heimischen Markt drängen könnten, und andererseits weil viele regionale Verlagshäuser bezweifeln, dass sie über genügend finanzielle Mittel verfügen, um selbst ins (angeblich) so teure Radio- oder TV-Business einsteigen zu können. Satelliten-TV war für die heimischen Zeitungen damals ohnehin zwei Schuhnummern zu groß.

„Aus dieser spezifischen Situation ergab sich eine Interessenkoalition zwischen ORF und Zeitungsherausgebern.“[xii]Bacher und der VÖZ (Verband Österreichischer Zeitungen) einigen sich deshalb im November 1985 auf den sogenannten „elektronischen Grundkonsens“, ein medienpolitisches Grundsatzabkommen. Gemeinsam wollte man den Status Quo der heimischen Medienlandschaft, trotz aller Umbrüche rund um die Insel der Seligen, langfristig erhalten. Gerd Bacher hatte damals zum ersten, aber nicht zum letzten Mal die Zeitungsherausgeber über den Tisch gezogen.

Bacher versprach den Verlagshäusern, seine Expansionspläne für die kommenden drei Jahre einzustellen, auf Werbung im ORF-Regionalfernsehen und die Nutzung neuer UKW-Frequenzen zu verzichten. Als Gegenleistung stimmten die Verleger der Sonntagswerbung im Fernsehen zu. Die SPÖ reagierte prompt auf den Zuruf von Bacher und VÖZ und hob 1986 das gesetzliche Werbeverbot an Sonn- und Feiertagen auf. Die heile österreichische Monopolwelt war zumindest für einige Zeit wieder gesichert.

Unterdessen hatten auch Bachers massives Lobbying für den Erhalt des Monopols und seine ständigen Warnungen vor einer Liberalsierung des Rundfunks und den damit angeblich verbundenen dramatischen Auswirkungen – Chaos im Äther, Niedergang des ORF etc. – Wirkung gezeigt. Die sozialistische Regierung beauftragte Bacher, Vorschläge für eine Änderung der ORF-Struktur und des Programmschemas auszuarbeiten.

ORF-Information noch röter: Funktionslösung

Bacher erarbeitet daraufhin die sogenannte „Funktionslösung“, seine Vorstellungen zur Reform des Rundfunkgesetzes von 1974. Kernpunkt dabei: Die Posten der bisher gleichberechtigten und „unabhängigen“ Intendanten für die beiden TV-Programme FS1 und FS2 – 1984 waren das Wolf In der Maur und Ernst Wolfram Marboe – sollten Bachers Umstrukturierungsmaßnahmen zum Opfer fallen.

Das bisherige Modell hatte sich als wenig praktikabel erwiesen, da die beiden Intendanten mit den gleichen Leuten und der gleichen Technik einander konkurrierende Programme produzierten. Sie sollten nun durch eine Informationsintendanten, mit den Zuständigkeitsbereichen Aktueller Dienst, Sport, Dokumentation und Servicesendungen, und einen Programmintendanten für die Bereiche Kultur, Jugend, Familie, Musik, Fernsehspiel und Unterhaltung ersetzt werden.

Die ÖVP lief gegen diese Pläne Sturm. Was aber nicht so sehr an der Umstrukturierung, sondern an der geplanten Besetzung der neuen Intendantenposten lag. Informationschef sollte nämlich der tiefrote Franz Kreuzer werden.

Kreuzer wurde bereits 1983 während des Nationalratskampfs massiv von der ÖVP angegriffen. Der damalige ORF-Chefredakteur galt für die Parteispitze als Hauptverantwortlicher dafür, dass die ÖVP in der Fernsehberichterstattung gegenüber der SPÖ krass benachteiligt wurde. Laut ÖVP waren während des Wahlkampfes dreimal so viele SPÖ- wie ÖVP-Beiträge gesendet worden, diese waren zudem auch noch erheblich länger[xiii].

Darüber hinaus hatte SPÖ-Wahlkampfmanager Hans Mahr damals betont, einen TV-Wahlkampf zu führen. Trotz der echten oder angeblichen Benachteiligung der ÖVP im Rundfunk hatte die SPÖ unter Kreisky bei der Nationalratswahl 1983 mit 47,6 Prozent nach zwölf Jahren die absolute Mehrheit verloren. Die Sozialisten gingen deshalb mit der FPÖ, die auf fünf Prozent gekommen war, eine Koalition ein.

Die SPÖ, oder zumindest viele ihrer wichtigsten Vertreter, standen hinter Bachers Vorschlägen. Heinz Fischer, damals Wissenschaftsminister, warnte hingegen vor „einer zu großen Nachgiebigkeit gegenüber den Veränderungswünschen von ORF-Generalintendant Gerd Bacher“[xiv].

Rundfunkreform ´84: ÖVP bricht mit Bacher

Fischer zimmerte anhand von Bachers Vorschlägen eine neue Rundfunkreform. Bacher sollte zwar seine Funktionslösung bekommen, „doch durch eine Reihe von strukturellen Maßnahmen im Kuratorium sollte der dominierenden Einfluss der SPÖ nicht nur abgesichert, sondern ausgebaut und die Kompetenzen des Generalintendanten in deutlichen Grenzen gehalten werden.“[xv]

Unterstützung bekamen die Sozialisten vom kleinen Regierungspartner FPÖ. Die ÖVP lief gegen die rot-blauen Pläne hingegen Sturm. Mediensprecher Heribert Steinbauer: „Wir werden uns diesen massiven Politschub nicht gefallen lassen“[xvi]. Dass die FPÖ ihren Sanctus zu den sozialistischen Reformplänen gibt, bezeichnet die ÖVP als „bisher größten Umfaller“[xvii].

„Die Betreuung Kreuzers mit der in der Funktionslösung zu errichtenden Informationsintendanz wurde in der ÖVP als Festschreibung eines von ihr bekämpften Zustandes eines sozialistisch dominierten Nachrichtenbereichs aufgefasst und daher abgelehnt.“[xviii] Am 10.Mai 1984 beschließt der Nationalrat mit den Stimmen von SPÖ und FPÖ die Novelle zu Rundfunkgesetz von 1974: „Die SPÖ zieht nun in Bataillonsstärke ins ORF-Kuratorium ein“[xix], so Autor Robert Kriechbaumer.

Gerd Bacher, den die Volkspartei bei seiner Wiederwahl als Generalintendant 1978 unterstützt hatte, fällt nun bei der ÖVP-Parteispitze in Ungnade. Bacher habe die Fronten gewechselt, „er sei ein der SPÖ willfähriger und zahnloser Tiger geworden“[xx], so ÖVP Generalsekretär Michael Graff.

((Die „Roten Meinungsmacher“ erscheint – wie am 6. November erläutert – im wöchentlichen Abstand als Serie im Gastkommentarbereich des Tagebuchs. Nächstes Kapitel: Teddy statt Tiger: Bachers zweiter Abgang)

Literatur

Kriechbaumer, Robert: Zeitenwende – Die SPÖ-FPÖ Koalition 1983-1987. Wien 2008

Mocuba, Jutta: Gerd Bacher als Theoretiker und Praktiker des österreichischen öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Diplomarbeit, Wien 2000

Osberger, Elisabeth: ÖVP-Medienpolitik in der Zweiten Republik – Eine Analyse anhand ausgewählter medienpolitischer Problemstellungen. Diplomarbeit. Wien 2003

Schmolke, Michael (Hg.): Der Generalintendant – Gerd Bachers Reden, Vorträge, Stellungnahmen aus den Jahren 1967 bis 1994 – Eine Auswahl; Wien 2000

Endnoten

[i] Siehe Arbeiter Zeitung 4.1.1984.

[ii] Kriechbaumer. 2008. Seite 417f.

[iii] Siehe multimedia 18.9.1983.

[iv] Austria Presse Agentur 15.5.1985.

[v] Ebenda.

[vi] Arbeiter Zeitung 4.1.1984.

[vii] Austria Presse Agentur 15.5.1985.

[viii] Arbeiter Zeitung 4.1.1984.

[ix] Medien und Recht 3/83.

[x] Arbeiter Zeitung 4.1.1984.

[xi] Siehe Kriechbaumer. 2008. Seite 418.

[xii] Siehe Kriechbaumer. 2008. Seite 419.

[xiii] Siehe Kriechbaumer 2008. Seite 421.

[xiv] Siehe Arbeiter Zeitung 27.2.1984..

[xv] Siehe Kriechbaumer. 2008. Seite 420.

[xvi] Siehe Die Presse 11.5.1984.

[xvii] Ebenda.

[xviii] Siehe Kriechbaumer. 2008.Seite 422.

[xix] Siehe Kriechbaumer. 2008. Seite 427.

[xx] Siehe Kriechbaumer. 2008. Seite 422.

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