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Schein und Sein von Kasachstan bis Liechtenstein

Was ist Wahrheit? Öffnet sich nicht ständig dort, wo wir sie zu sehen glauben, wieder ein doppelter Boden, oder gar ein dreifacher oder vierfacher? Die Sensationsberichte, mit denen die Medien täglich Zuseher oder Leser aufgeilen, zeigen die Doppelbödigkeit und Relativitäten scheinbarer Gewissheiten besonders deutlich. Was heute schwarz-weiß ist, ist morgen weiß-schwarz, übermorgen schwarz und dann plötzlich weiß. Ein ehrlicher Journalismus müsste viel öfter sagen, dass er die Wahrheit nicht wirklich kennt, dass diese vielleicht auch nie ganz klar feststehen wird. Das sollte eigentlich auch Anlass sein, sich mit den ständigen Vorverurteilungen viel stärker zurückzuhalten. Ein vergeblicher Weihnachtswunsch.

Das zeigt sich etwa an den Aufregern der letzten vorweihnachtlichen Tage. Von der Causa Grasser über den deutsch-koreanischen Raketenschmuggel bis zu der Affäre Österreich-Kasachstan. Beginnen wir mit Ksachstan: Seit Jahr und Tag wird uns von Medien, PR-Firmen, SPÖ- Politikern sowie SPÖ- und CDU-nahen Anwälten eine dramatische Geschichte präsentiert: Der ehemalige Botschafter Kasachstan in Wien und Ex-Schwiegersohn des Präsidenten habe Regimegegner gefoltert und getötet. Es sei daher ein Riesenskandal, dass Österreich diesen Mann nicht der kasachischen Justiz ausliefere.

Das Erstaunlichste an diesen Vorwürfen ist allerdings etwas anderes, nämlich wer da aller plötzlich zu einem Kasachstan-Experten geworden ist. Lauter Menschen, die bisher nie auch nur eine Spur von Interesse für jenes Land gezeigt haben. Die böse Vermutung, dass dahinter mehr Interesse an dem (Öl-)Geld jenes Landes als an Kasachstan selbst stünde, weisen wir natürlich strikt zurück. Das sind zweifellos lauter lautere Wahrheitssucher.

In den letzten Tagen und Wochen ist es jedoch erstaunlich ruhig geworden um ihre Story. Denn aus Kasachstan dringen ganz andere Nachrichten: Dort hat der Präsident schon wieder einen anderen Schwiegersohn aus allem Ämtern gefeuert. Dort toben seit Wochen schwere Unruhen. Dort geht der Machthaber mit aller Gewalt, mit Folterungen und Morden gegen seine Gegner vor.

Und ausgerechnet an diesen Diktator und seine Unrechtsjustiz soll Österreich jemanden ausliefern? Ausgerechnet von dort geschickte Beweise sollen ernst genommen werden? Ist am Ende der von Österreich geschützte Schwiegersohn vielleicht wirklich selbst nur ein Verfolgter eines despotischen Diktators?

Alle wissen alles über KHG – ich nicht

Noch schwieriger ist es im zweiten aktuellen Fall, die Wahrheit zu finden: nämlich bei der Story Grasser-Liechtenstein. Da hat der SPÖ-Geschäftsführer  schon über alle Grenzen des Rechtsstaats hinweg verlangt, dass Grasser nun endlich unbedingt in Untersuchungshaft gehöre. Da hat der „Kurier“-Chefredakteur bereits gar nach Anwendung des Mafia-Paragraphen gerufen. Und die große Mehrzahl der restlichen Medien will Grasser sowieso schon lange hängen sehen.

Die Faktenlage, soweit bekannt, zeigt ein anderes Bild. Faktum scheint zu sein, dass ein Liechtensteiner Anwalt, der zwar mit Grasser Geschäftsbeziehungen hat, aber in diesem Fall jemand anderen vertritt, Aktenteile aus einem Gericht mitgenommen hat. Allerdings hat er – beziehungsweise der Eigentümer des Aktes – das keineswegs ganz im rechtsfreien Raum gemacht. Was freilich in kaum einem österreichischen Medium korrekt berichtet worden ist. Denn die Liechtensteiner Gerichte hatten davor den Durchsuchungsbefehl, auf dessen Grundlage die Akten ins Gericht gekommen sind, wegen Fristüberschreitung aufgehoben. Damit hatte eigentlich die Beschlagnahme keine Rechtsgrundlage mehr und der Akteneigentümer einen Anspruch auf Zurückstellung dieser Akten, unabhängig davon, dass in Wien ein neuer Antrag auf Durchsuchung gestellt worden ist.

Damit ist jedenfalls ein Großteil der heimischen Aufregung der letzten Tage wieder als grundlos in sich zusammengesackt. Freilich bleiben noch zwei Fragezeichen bestehen: Hätte der Anwalt nicht zuvor einen formellen Antrag auf Rückstellung der beschlagnahmten Akten stellen müssen, statt sie einfach mitzunehmen? Und zweitens: Gibt es – abgesehen von den Behauptungen der üblichen Medien – einen konkreten Beweis, dass Seiten des inzwischen freiwillig zurückgestellten Aktes ausgetauscht oder manipuliert worden sind? Was dann nun tatsächlich ein arges Delikt wäre – aber nur dann. Was aber wohl nur mit komplizierten kriminaltechnischen Methoden zu klären sein wird. Und nicht schon mit der Boulevard-Schlagzeile.

Ich bin jedenfalls nach wie vor total unsicher: Ist Grasser bis über beide Ohren korrupt gewesen? Oder haben sich zwei oder drei Freunde im Kielwasser eines im Rampenlicht stehenden, aber integren Sunnyboys ganz heimlich, aber ganz heftig bereichert? Die derzeit bekannten Fakten lassen die Richtigkeit beider Theorien zu. Seit die Staatsanwaltschaft freilich auch schon das Kapitalverbrechen eines Meldevergehens Grassers zu kriminalisieren begonnen hat, seit von dort immer ganz einseitig Aktenteile an die Öffentlichkeit dringen, zweifle ich aber zumindest an der Objektivität der Strafverfolger. Das klärt aber noch lange nicht, wo unter den vielen doppelten Böden jener der Wahrheit zu finden ist.

Die dritte große, aber nach zwei Tagen in sich zusammensackende vorweihnachtliche Aufregung spielte sich im kalten Finnland ab. Dort wurde ein Schiff mit einer deutschen Waffenlieferung für Südkorea angehalten. Der Empörung auslösende Vorwurf: Die Frächter hatten kriegerische Raketen als harmlose Feuerwerkskörper getarnt. Als die Story jedoch gleich einmal rund um den Erdball gezischt war, mussten die Finnen kleinlaut zugeben: Sie hatten das in den Frachtpapieren stehende Wort „Rocket“ falsch übersetzt, es war eh alles richtig deklariert . . .

Was ist Wahrheit?

Wir bleiben jedoch mit der bangen Frager zurück: Wem darf man trauen? Was ist die wirkliche Wahrheit? Täglich steigen mediale Aufreger wie Feuerwerkskörper steil in den Himmel, um unsere Aufmerksamkeit zu erregen – und stürzen dann irgendwann kraft- und saftlos wieder herunter. Wenn man nicht strukturell paranoid ist wie der Abgeordnete P., der ja schon fast täglich nie stattgefundene Verbrechen entdeckt und anzeigt, dann muss man ehrlich zugeben: Wir lernen die Wahrheit oft nie ganz kennen.

Freilich ist auch das Gegenteil nicht garantiert. Leider können wir auch nicht fix davon ausgehen, dass alle Aufreger zwischen „Heute“, Pilz, „News“ und „Österreich“ unberechtigt, falsch und erlogen sind. Denn dann hätten wir ja wenigsten das Gegenteil der Wahrheit erkannt. Was ja auch schon wieder ein Teil von ihr wäre.

Erstaunlich ist, dass die Medien die schwere Selbstbeschädigung, den großen Verlust an Glaubwürdigkeit hinnehmen, nur weil sie glauben, dass kurzfristig die schrillste Story, der größte Aufreger, die bösartigste Unterstellung, die schnellste Vermutung siegt. Da ist es kein Wunder, dass im langfristigen Trend Aufdeckermagazine, Boulevardblätter wie auch zum Skandalisieren neigende Qualitätsblätter den stärksten Leserverlust haben.

Wir aber bleiben mit der bangen Frage zurück: Was ist die Wahrheit?

Wenn mir an diesem Weihnachtsmorgen ein Vergleich aus einer ganz anderen Welt gestattet ist: Dass Jesus Christus gelebt hat, kann zwar auch jenseits des Glaubens als historisch weitestgehend gesichert und bewiesen gelten. Aber ob er wirklich gerade vor 2011 Jahren geboren worden ist, kann schon niemand seriös beweisen. Man denke nur an die starken Indizien, dass im dunklen Loch etwa zwischen den Jahren 400 und 700 wahrscheinlich deutlich weniger als die von späteren Geschichtsschreibern hingeschriebenen 300 Jahre vergangen sind. Und der Kalender-Tag des Weihnachtsfests ist sogar mit noch größerer Wahrscheinlichkeit ein völlig willkürlich gewählter Geburtstag.

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