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Der wahre Feind heißt Korruption – nicht Blog und Twitter

Keine Frage wird mir bei Vorträgen häufiger gestellt als jene nach dem Verhältnis zwischen gedruckten und elektronischen Medien. Darauf erzähle ich gerne von dem amerikanischen Medienguru, der in den 90er Jahren bei einem Kongress verkündet hat, dass es binnen fünf Jahren keine Papierzeitung geben werde. Oder von Prophezeiungen, dass es sehr bald nur noch am Wochenende Zeitungen geben werde.

Woran man sieht, dass es Propheten zumindest dann schwer haben, wenn sie über die Zukunft reden. Daher seien hier nur ganz bescheiden einige Wahrscheinlichkeiten formuliert.

Ich selbst bin keineswegs ein fanatischer Vertreter eines „Internet only“. Dabei betätige ich mich nun schon mehrere Jahre seit meiner zweiten unsanften Hinausbeförderung aus Printmedien primär als Blogger. Zwar ist mein Blog andreas-unterberger.at der einzige, der dank vieler zahlender Abonnenten eine tragfähige Basis hat. Er ist auch nach allen bekannten Vergleichsparametern der meistgelesene medienunabhängige Blog. Dennoch bin ich überzeugt, dass gedruckte, unabhängige und seriöse Medien unverzichtbar sind.

Dennoch wird der Marktanteil der Kaufzeitungen stark abnehmen und von einst 75 auf etwa 20 Prozent sinken. Verlieren werden vor allem Boulevard- und Lokalmedien. Gewinnen werden Gratis- und Internet-Medien.

Marktschreierische, voyeuristisch und viertelwahre Texte kann sich nämlich auch eine billige Mini-Redaktion aus den Fingern saugen, deren Gratisblätter sich nicht mehr von einem durch einige Pseudo-Infos angereicherten Werbeprospekt unterscheiden. Das wird die Boulevard-Kaufmedien killen. Die Lokalmedien wiederum leiden darunter, dass die meisten Gebrauchtauto-, Wohnungs- oder Stelleninserate sehr bald nur noch im Internet zu finden sein werden. Dort kann man billiger und mehr Informationen kommunizieren als in jedem Inserat. Dort findet sich gezielt jene Handvoll, die als Käufer oder Mitarbeiter in Frage kommt. Dort muss man nicht die Papier-, Druck-, und Transport-Kosten Hunderttausender Exemplare zahlen. Will man doch sein Auto ohnedies nur ein einziges Mal verkaufen.

Das Internet wird auch für jene Menschen ideal werden, die noch schneller als durch Ö3&Co ständig wissen wollen, ob die Welt noch steht und wer bei einem halbseidenen Sing-Wettbewerb gewonnen hat.

Auf Dauer unverzichtbar bleibt die klassische Tages- wie Wochen-Zeitung hingegen dort, wo es um tiefe, um kluge sowie mit viel Recherche verbundene Informationen, Analysen und Meinungen geht. Dafür wird die 20-Prozent-Elite auch einen höheren Preis zahlen.

Ein Ersatz etwa für die täglichen Recherchen des „Presse“-Economist durch die Mini-Mannschaft eines Gratis-Blattes ist unvorstellbar. Im Internet wäre solche Qualität zwar denkbar. Nur ist das Lesen anspruchsvollerer und längerer Text auf Papier bequemer. Nur strahlt Papier auch Echtheit und Lebensqualität aus. Nur gibt es im Internet noch immer kein funktionierendes Business-Modell, welches Qualitäts-Journalismus finanzieren würde. Auch mein eigenes Internet-Tagebuch ist kein Gegenbeweis, ganz abgesehen davon, dass es erstaunlich oft ausgedruckt wird. Es findet nur auf Grund meiner Bekanntheit und der weitgehenden Alleinstellung im großen liberalkonservativen Bereich ausreichende Abonnenten. Das lässt sich nur schwer auf andere Blogs übertragen.

Der Glaube, dass sich Internet-Medien durch Werbung finanzieren würden, schmilzt rasch. Internet-Werbung nimmt zwar zu – aber noch viel rascher tun dies jene Internet-Seiten, die davon leben wollen. Was naturgemäß die Preise ständig weiter drückt.

Noch aus einem weiteren Grund braucht der Internet-Journalismus die Basis-Recherche  seriöser Zeitungs- und Agenturredaktionen: Das Internet würde sonst zur unkontrollierten Spielwiese wilder Propaganda, von Lügen und Verschwörungstheorien, von Links- wie Rechtsradikalen, von gezielter Desinformation und von im Dunklen agierenden Agenturen wie Agenten werden.

Offen bleibt jedoch angesichts schrumpfender Leserzahlen die Frage: Wie finanzieren sich künftig Redaktionen und bleiben dabei unabhängig? Ohne die Arbeit seriöser, alleine der Wahrheitssuche verpflichteter, von jeder politischen und wirtschaftlichen Macht unabhängiger Journalisten kann aber keine Demokratie funktionieren. Demokratie braucht auch Medienvielfalt, die in ihrer Summe das ganze Meinungsspektrum abbildet, wobei aber jedes Medium seine ganz spezifische Identität hat, um glaubwürdig zu sein.

Umso gefährlicher ist die Selbstkorrumpierung so vieler Medien. Sie lassen sich von der Politik bestechen – oder sie pressen der Politik mit der Androhung kritischer Berichterstattung aus Steuergeldern finanzierte Inserate ab. Zuerst war solches nur im Umkreis des Wiener Rathauses wie auch der niederösterreichischen Landesregierung zu beobachten. Seit Werner Faymanns Wechsel in die Bundesregierung finden solche Deals aber auch ganz intensiv dort statt. Dazu kommt noch eine zweite Form der Selbstkorrumpierung: nämlich das völlige Verwischen der Grenzen zwischen Inserat und (hoffentlich) unabhängiger Redaktion. Das Vertrauen des Lesers wird durch immer mehr „Kooperationen“, „Verlagsbeilagen“, „Sonderseiten“ oder überhaupt nicht gekennzeichnete PR-Artikel verspielt.

Gewiss: Durch solche Deals haben im Gegensatz zum Ausland alle österreichischen Blätter die letzte Krise überlebt. Das ist für die Bilanz der Verleger kurzfristig gut. Das verhindert auch einen weiteren Abbau der hierzulande ohnedies sehr geringen Vielfalt an Medien. Das ist für die langfristige Glaubwürdigkeit der Medien und für die Demokratie jedoch ganz übel.

Ginge es wirklich um die Medienvielfalt, sollte der gegenwärtige Inseraten-Schandlohn durch eine erhöhte gesetzliche Presseförderung ersetzt werden, die in keiner Weise inhaltlichen Einfluss nimmt. Eine vielfältige, unabhängige und seriöse Medienszene ist für eine gute Zukunft dieses Landes jedenfalls absolut unverzichtbar. Egal, ob diese Medien auf Papier oder Bildschirmen gelesen werden.

(Dieser Beitrag erscheint in ähnlicher Form in der heutigen Sonntags-„Presse“, die ganz von der Online-Redaktion der „Presse“ gestaltet worden ist.)

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