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SN-Kontroverse: Pleite gehen lassen?

Unter dem Titel “Kontroverse” gibt es in jeder Freitag-Ausgabe der Salzburger Nachrichten eine Doppelkolumne, in der Katharina Krawagna-Pfeifer und ich jeweils zum gleichen, von der SN-Redaktion vorgegebenen Thema schreiben. Und zwar ohne dass man gegenseitig die Texte vorher kennt.

Diese Woche steht die “Kontroverse” unter dem Titel:

 

Soll die EU Griechenland pleite gehen lassen?

 

In der Folge finden Sie die beiden – unverändert wiedergegebenen – Kolumnen. Dadurch soll dieser kreativen und spannenden Idee auch hier ein Forum gegeben werden.

Pleite zieht alle mit

Katharina Krawagna-Pfeifer war Innenpolitikerin der SN, Innenpolitikchefin sowie Leiterin des EU-Büros des “Standard” und SPÖ-Kommunikationschefin. Sie arbeitet jetzt als Publizistin und Kommunikationsstrategin (kkp.co.at).

Lass Griechenland doch pleite gehen." Immer lauter tönt der martialische Ruf angesichts der Schuldenkrise im Süden. Etliche sehen darin gar die „gerechte" Strafe für die jahrzehntelange Misswirtschaft der Hellenen. Das Denken der Rachsüchtigen ist allerdings ziemlich kurzsichtig und bedeutet eine massive Verdrängung der Realität.

Denn die Folgen einer Staatspleite sind schrecklich: Banken werden von Kunden gestürmt, die ihre Konten plündern. In den Geschäften kommt es zu Hamsterkäufen. Die Geschäftsregale bleiben leer, der Einzelhandel hat kein Geld mehr. Auf den Straßen versammelt sich das Volk und demonstriert gegen die Regierung. Die Proteste schlagen in Gewalt um, die Regierung wird gestürzt, es herrscht Anarchie. Der Schwarzmarkt verdrängt die Marktwirtschaft.

Die internationalen Konsequenzen einer Staatspleite sind nicht abschätzbar. Ein bankrotter Staat kann seinen Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen. Seine Anleihen werden abgewertet und Umschichtungen an den Finanzmärkten sind nötig. International kommt es zum Dominoeffekt. Andere Kernländer der EU, allen voran Spanien, Portugal, Irland und Italien könnten ebenfalls in die Staatspleite schlittern. Der Euro verlöre stark an Wert, auch in den stabilen Ländern der Europäischen Union würden die Zinsen steigen; eine tiefgreifenden Währungskrise unvermeidbar. Die Staaten müssten wieder Rettungspakete für die Banken und extreme Sparpakete mit harten sozialen Einschnitten verabschieden.

Im Vergleich zur globalen Wirtschaftskrise nach der Pleite der US-Bank Lehman wären die Folgen einer Staatspleite Griechenlands ein wirtschaftspolitischer Tsunami. Weitere finanzielle Hilfen für das krisengeschüttelte Griechenland sind daher unausweichlich, falls Europa sich selbst nicht destabilisieren will.


Konkursverschleppung

Andreas Unterberger

Die EU kann Griechenland gar nicht pleite gehen lassen. Denn das ist es schon längst. Jetzt geht's nur noch darum, endlich auch offen zuzugeben, dass Griechenland niemals all seine Schulden zahlen kann. Werden die Staaten Europas wie im Mai 2010 noch einmal Beihilfe zur Konkursverschleppung leisten? Im normalen Leben landet man damit vor dem Strafrichter.
Klar ist freilich auch: Das offene Eingeständnis der griechischen Pleite kommt heuer schon viel teurer als im vergangenen Jahr. Aber jedes weitere Jahr wird's noch teurer.

Inzwischen sind neben diversen Staatshaushalten schon etliche Nationalbanken, vor allem die Europäische Zentralbank bedroht, die nun den Großteil der griechischen Anleihen halten. Da ist es hochgradige Realitätsverweigerung, wenn sich die Finanzministerin brüstet, dass die Griechenland-Hilfe „keinen Cent" gekostet habe. In Wahrheit sind europaweit als Folge der Schuldenkrise schon unvorstellbare 1500 Milliarden Euro an Haftungen angelaufen. Und Europa ist gerade dabei, diesem teilweise schon verlorenen Geld weitere 120 Milliarden nachzuwerfen.

Nur Scharlatane können behaupten, es gäbe heute noch einen Ausweg aus der europaweiten Schuldenkrise, der nicht entweder die Sparer über eine Inflation oder die Steuerzahler über Steuererhöhungen heftig trifft. Die SPÖ macht dazu ja schon eifrig Vorschläge.

Für die Sozialisten in allen Parteien und vor allem die Gewerkschaften ist Griechenland die große ideologische Katastrophe. Denn dort zeigt sich, wohin gewerkschaftlich erkämpfte Lohnzuwächse und soziale Zuckerln führen, die mehr als den echten Produktivitätszuwachs ausmachen. Alle anderen aber, an der Spitze Angela Merkel, müssen sich fragen, warum sie den insolventen Griechen (und all ihren Gläubigern) die Mauer gemacht haben. Und jetzt offenbar weiter machen.

 

 

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