Die große Schau

Weltweit ist in diesen Tagen
Hochzeitschauen angesagt,
denn vorüber ist das Zagen,
und das Jawort wird gewagt!

Um die Wißbegier zu stillen,
stellten schon geraume Zeit
Fernsehsender und Postillen,
was das Herz begehrt, bereit.

Vieles gibt es ja zu fragen:
Welche Leute lädt man ein,
wer wird welche Kleider tragen,
wie wird wohl das Wetter sein?

Werden Kutschenpferde spuren,
bellt zur falschen Zeit ein Hund?
Was verheißen die Auguren
für den hehren Lebensbund?

Gibt vielleicht es dunkle Flecken
im Verwandtenkreis der Braut?
Droht am End’ wer anzuecken,
wenn die halbe Menschheit schaut?

Kommt Rekord bei Einschaltquoten,
klappt das Souvenir-Geschäft,
kurz gesagt, läuft’s wie nach Noten,
respektiv laut Pflichtenheft? 

Allerdings spricht unumwunden
mancher aus, was sonnenklar:
Schauen kostet Arbeitsstunden,
Abermillionen gar!

Bloß zwei Tage später wäre
doch bereits der erste Mai,
und da ist zur höhern Ehre
aller Arbeit arbeitsfrei!

Na, die kleinen Nebenkosten
plant in London längst man ein.
geht’s’s ja um den Nahen Osten,
und es muß am Freitag sein:

Denn man hofft, zum Hochzeitsehen
bleiben alle brav zuhaus,
statt zur Predigt wegzugehen –
und schon fällt der Aufstand aus!

Danken also wir den Briten,
die zum Heil der ganzen Welt
wieder ein Spektakel bieten,
welches jedermann gefällt.

Und so hilft das Hochzeitschauen,
daß man kurze Zeit vergißt,
was da sonst an Not und Grauen
überall zu sehen ist …

Pannonicus

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