Ich mach mir so Sorgen um die SPD

Hat man im deutschen Fernsehen nach den dramatischen Landtagswahlen nur die TV-Auftritte der SPD-Spitzen verfolgt, hätte man den Eindruck haben können, dass die traditionsreichen Sozialdemokraten zwei riesige Wahlerfolge feiern konnten. Bei Betrachtung der nackten Zahlen jedoch zeigt sich genau das Gegenteil. In Baden-Württemberg wurden sie von den Grünen auf Platz 3 verdrängt und müssen sich künftig mit der Rolle des Juniorpartners begnügen.

In Rheinland-Pfalz sackte die Partei von einer absoluten Mehrheit um 10 Prozent auf 35,7 herunter und muss sich nun von den Grünen sozusagen in letzter Minute retten lassen, die rein rechnerisch sehr wohl auch mit der CDU koalieren könnten. Da ist jetzt schon absehbar, dass die Grünen ihr Fell so teuer wie möglich verkaufen werden. Was dies für ein bereits mit 30 Milliarden Euro schwerst verschuldetes Bundesland bedeutet, konnte man am Beispiel der rot-grünen Minderheitsregierung in Nordrhein-Westfalen studieren, wo kürzlich das oberste Gericht im Lande den Haushalt für verfassungswidrig erklärt hatte.

Man muss schon ins Jahr 1959 zurückgehen, um in diesem Bundesland ein noch schlechteres Wahlergebnis der SPD zu finden. Das Plus für die CDU von 2,4 Prozent hat den Abstand zur SPD von rund 13 auf 0,5 Prozent reduziert.

Wohl hat die CDU im Nachbarland Baden-Württemberg gleichfalls einen herben Verlust von 5 Prozent zu verkraften. Doch im Unterschied zu den 10 Minuspunkten von SPD-Beck erscheint dies nur noch halb so schlimm. Allerdings liegt hier die SPD nicht 0,5 Prozent hinter der CDU, sondern 16 Prozent. Selbst die triumphierenden Grünen trennen noch 15 Prozent von der stärksten Landtagsfraktion, der Union.

Da entblödet sich Nils Schmid nicht, mit strahlender Siegespose seinen Fans zuzujubeln: "Wir haben es geschafft". Und das, obwohl ihm gerade bescheinigt wurde, dass er seiner SPD das schlechteste Wahlergebnis eingebrockt hat, seit Baden-Württemberg besteht.

Sicher, der Verlust eines Ministerpräsidenten – noch dazu im Stammland der Union und nach 58 Jahren – ist für die CDU schmerzlich und überdeckt alles andere. Aber dies wurde von den Betroffenen wenigstens ohne Wenn und Aber vor laufender Kamera eingeräumt. Im Gegensatz zur SPD, die laut im Wald pfeift, als sei sie der große Gewinner des Wahlsonntags.

Ein schwer angeschlagener Ministerpräsident, der nicht mehr allein regieren kann und ein peinliches Minus von 10 Prozent verantworten muss, eine ehemalige Volkspartei, die vor Freude ausser Rand und Band gerät, wenn sie ihr bislang schlechtestes Ergebnis verkündet bekommt, eine SPD, die sich gerade im Osten hinter der Linken mit Platz 3 abfinden muss und nun auch im Westen von den Grünen überrundet wird, eine solche Partei könnte einem leid tun. Aber nicht, weil sie immer mehr ins Tief rutscht, sondern weil sie jeden Bezug zur Realität verloren hat.

Damit soll keineswegs das schlechte Abschneiden des bürgerlichen Lagers kleingeredet werden. Dieses bedarf wohl einer eingehenderen Analyse. Aber ist eine seriöse Analyse in einer Partei überhaupt möglich, die ihre ruinösen Niederlagen als grandiose Erfolge wahrnimmt? Was sich schon seit längerem abzeichnet: Im ehemaligen Ostteil Deutschlands macht die Linkspartei den Platz für die SPD immer enger. Im ehemaligen Westteil werden die Grünen zu einer immer ernsteren Gefahr. Am Ende könnte sich die SPD zwischen diesen Alternativen plötzlich als entbehrlich herausstellen. Das wäre dann folgerichtig ihr größter Jubeltag! Ich mach mir so Sorgen um die SPD.

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