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Das Ende des Medienzeitalters

Pressefreiheit war im Jahr 1848 die wichtigste Forderung der Demonstranten auf Wiens und Europas Straßen.Was ist heute daraus geworden? Eine ernüchternde Bilanz.

(Diese Studie wurde in ähnlicher Form auch für die Österreichische Akademie der Wissenschaften erstellt. Vorwarnung: Sie ist deutlich länger als sonstige Beiträge, steht hier aber trotzdem ungekürzt zur Verfügung).

Die Freiheit der gedruckten Medien (andere gab es damals ja noch nicht) von staatlichen Eingriffen, Zwängen und Repressionen war das zentrale Anliegen der liberalen Revolution. Das zeigen die Flugblätter aus jenen Tagen.

Dahinter stand die Überzeugung: Sind erst einmal die Medien frei und können sie ungehindert die Mächtigen kontrollieren und kritisieren, dann folgen alle anderen Grundrechte automatisch. Aber nur dann. Das wurde letztlich auch von der Geschichte bestätigt. Angst vor den Medien und ihrer Freiheit prägt hingegen alle Diktaturen, ob sie nun andere Grundrechte wie Religions- oder Reisefreiheit gewähren oder nicht.

Das Medienrecht: Zuviel und Zuwenig

Heute stellt sich die Frage, was wurde seither aus der Pressfreiheit bzw. der Medien- und Meinungsfreiheit? Dabei kommt man zu sehr widersprüchlichen Ergebnissen: - es gibt neue Bedrohungen und bedenkliche Einschränkungen der Meinungsfreiheit; - es gibt zugleich Exzesse, die vielleicht sogar von einem Missbrauch sprechen lassen.

Freiheits-Exzesse:

Die Medien selbst scheinen heute rechtlich in einem Ausmaß frei, dass auch hochrangige Juristen engere Grenzen dieser Freiheit zu diskutieren begonnen haben. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg hat im Gegensatz zur Ansicht österreichischer Richter alle Personen des politischen Lebens samt ihrem Privatleben gegen publizistische und voyeuristische Vernichtungsfeldzüge praktisch vogelfrei gestellt. Sie müssen sich praktisch jede Attacke und Verhöhnung wehrlos gefallen lassen.

Der medienrechtliche Persönlichkeitsschutz ist innerösterreichisch auch unabhängig von diesem EGMR einem ständigen Abbau ausgesetzt. Strafen für Mediendelikte sind so niedrig, dass sie (samt den sonstigen Verfahrenskosten) zwar kleine Medien hart treffen, dass sie den großen – und meist besonders hemmungslosen – Boulevardmedien hingegen gleichgültig sein können. Lediglich im ununterbrochen fortgesetzten Wiederholungsfall hat das Medienrechte für große Medien spezialpräventive Wirkungen.

Freiheits-Defizite:

Es gibt aber auch umgekehrt Bereiche, wo die Medien von der Rechtsordnung unbegründet gequält werden.

  1. Das gilt in Österreich besonders für das inhaltlich wie vor allem formal schikanöse Gegendarstellungsrecht.
  2. Das gilt für die Tatsache, dass selbst beim besten Willen oft nicht erkennbar ist, wo die Grenze von Erlaubt und Verboten bei der Identifizierbarkeit von Privatpersonen durch Foto und Namensnennung liegt (was dann oft von Verbrechern zur Finanzierung ihrer Verteidigungskosten auf Kosten der Medien genutzt wird).
  3. Das gilt auch für das Urheberrecht, das unter Druck der sogenannten Urheber so gestaltet worden ist, dass Medien heute nur noch mit täglichen Verletzungen des Urheberrechts produziert werden können. Man denke nur an das Bild von einer Kunstausstellung: Die Galerie ist zwar am Abdruck interessiert, aber sowohl der Künstler wie auch der Photograph können im Nachhinein schikanöse Forderungen stellen, obwohl die Berichterstattung eigentlich im Interesse aller Akteure ist.
  4. Unbefriedigend ist auch die faktische Benachteiligung der Printmedien im Medienrecht: Bei Zeitungen und Zeitschriften bleibt das Produkt dauerhaft physisch vorhanden; bei ihnen kann man inkriminierbare Fehler auch noch mit Verspätung nachlesen. Online-, Radio- und Fernsehbeiträge sind hingegen de facto oft ein sehr vergängliches Ziel für rechtliche Schritte ihrer Opfer. Im  Problemfall werden problematische Inhalte oft blitzschnell vom Netz genommen.
  5. Im Internet tut man sich (abgesehen von den Online-Auftritten der großen Printprodukte) oft schwer, einen Verantwortlichen festzunageln, gegen den man mit Erfolgsaussicht Forderungen erheben kann. Sofern Mediendelikte in der Flut von www-Seiten nicht ohnedies untergehen. Viele nur für Österreich produzierende Internet-Produkte sind in exotischen Ländern „daheim“.

Es gibt also viel Diskussionsbedarf für Reformen im Medienrecht. Die größeren Bedrohungen für die wichtige Aufgabe der Medien als Eckpfeiler jeder Demokratie, als unabhängige Kontrolle und – wenn man so will – als vierte Gewalt im Staat liegen aber ganz wo anders.

Datenschutz

Zwei zentrale Probleme bei der Erfüllung dieser Aufgabe heißen Datenschutz und Amtsgeheimnis: Immer öfter entdecken Beamte und Politiker, dass sie sich perfekt hinter der Berufung auf Amtsgeheimnis oder Datenschutz verstecken können. Und damit auch die eventuellen Spuren von Faulheit, Dummheit, parteipolitischer und sonstiger Protektion oder gar krimineller Korruption. Zwar werden Datenschutz und Amtsgeheimnis immer wieder gezielt durchbrochen. Aber dies geschieht eben gezielt und illegal, wobei die Spuren der Täter gekonnt verwischt werden: Aus Akten werden nur jene Teile hinausgespielt, welche die ganze Angelegenheit in dem vom jeweiligen Informanten/Denuzianten erwünschten Licht erscheinen lassen.

Es gibt bei dieser gezielt selektiven Informationsweitergabe durch Whistleblower meist keine Möglichkeiten für korrekt recherchierende Medien, den gesamten Zusammenhang aufzudecken. Was insbesondere in Zeiten wichtig wäre, wo die Arbeit der Staatsanwaltschaft heftig kritisiert wird.

Dieser Mechanismus macht viele Journalisten überdies abhängig von Spin-doctoren, PR-Agenten und Desinformanten, die beide nicht informieren, sondern nur die öffentliche Meinung durch Unwahrheiten oder einseitige Informationsweitergabe zu manipulieren versuchen. Geht ein Journalist den Spin-doctoren hingegen aus dem Weg, dann bekommt er oft gar keine Informationen. Was ihm beruflich schaden könnte.

In dieser Malaise gäbe es eine klare Lösung. Alle Manipulationen hätten ein Ende, wenn wie in Skandinavien jeder staatliche Akt  jedem Bürger prinzipiell zugänglich ist. Dies geht dort richtigerweise auch bis hin zu fremden Steuerbescheiden. Ebenso plant die neue britische Regierung, jeden einzelnen Geldfluss aus Steuerkassen samt Empfängern im Internet zu veröffentlichen. Eine solche totale Transparenz  wäre auch der beste Schutz gegen Korruption und unberechtigte Denunziation durch Falsch- oder Teilinformationen. Das hätte nämlich sehr positive Vorwirkungen: Amtsträger wären automatisch nicht nur vorsichtiger, sondern auch zurückhaltender, also anständiger bei Protektion, Korruption oder Faulheit.

Am Rande der Pleite

Viel schwieriger ist es, eine Strategie gegen eine weitere große Bedrohung zu finden: Die besteht nämlich in den existenziellen wirtschaftlichen Nöten vieler Medien. Der größere Teil der weltweiten Tageszeitungen schrieb in den letzten zwei Jahren rote Zahlen. In den USA sind allein 2009 über 50 Zeitungen eingestellt worden. In Deutschland haben in einem Jahr 4000 Journalisten ihren Arbeitsplatz verloren. In England mussten schon zwei prominente Zeitungen an russische Oligarchen verkauft werden. Die Zeitungen verlieren zentrale Quellen ihrer Finanzierung.

Eine Ursache dafür sind natürlich die Wirtschaftskrisen. So wie schon 2001/2002 schaltete auch ab Herbst 2008 naturgemäß fast niemand Stelleninserate; braucht doch kaum eine Firma in der Krise zusätzliche Mitarbeiter. Die Umsätze aus Personalinseraten sind in der Folge um 50 bis 70 Prozent zurückgegangen. Aber auch die Marketing-Inserate (etwa des Handels) werden gerne als rasch umsetzbare Einsparung brutal zurückgefahren. Selbst wenn das betriebswirtschaftlich absolut falsch ist, weil es den Umsatz des Handels weiter reduziert.

Zum anderen leiden alle Zeitungen – vor allem die einst so gewinnträchtigen Regionalblätter – massiv unter dem Internet. Und diese Verluste sind permanent. Da ist keine Erholung denkbar. Noch viel schmerzhafter sind aber die langfristigen Verluste bei den  Anzeigenumsätzen. Diese bilden  jedoch den größeren Teil des Zeitungsumsatzes: Wohnungs-, Auto- und Stellenmarkt wandern im Eiltempo ins Internet. Dort kann ein Inserent ja auch viel billiger viel mehr über die zu verkaufenden Güter und die zu besetzenden Jobs kommunizieren. Man denke nur an Grundrisse und Fotos von Wohnungen.

Die Gefahren des Internets

In diesem Zusammenhang stößt man des öfteren auf eine beschwichtigende Interpretation: Der Journalismus wechsle ja nur seine technische Plattform – also vom teuren und umweltbelastenden Papier zu Glasfaserkabel und flimmernden Bildschirmen. Das koste zwar mehr Strom, sei aber sonst ok.

Das Internet hat jedoch einen gravierenden Nachteil: Dort will leider nach wie vor kaum jemand für die Nutzung zahlen. Es gilt die Devise „Content is free“ – auch bei den Internet-Auftritten der professionellen Zeitungen: Kaum verlangt ein Medium einen Beitrag für die Konsumation seiner Texte, sinkt die Quote gegen Null. Denn irgendwelche Informationen im Schnellimbissverfahren kriegt man ja immer. Und viele Menschen halten das für ausreichend. Der Autor dieses Beitrags könnte jetzt zwar auf das Gegenbeispiel seines eigenen Internet-Blogs verweisen (andreas-unterberger.at). Dort haben sich binnen eines halben Jahres fast 500 der insgesamt 220.000 User (Unique Clients) gefunden, die jährlich mindestens 120 Euro für das Weiterbestehen des Blogs zahlen. Dieser ist damit tatsächlich ökonomisch gesichert – aber eben nur als Ein-Mann-Unternehmen.

Das kann nicht als Beispiel für Hunderte andere Blogger dienen, die sogar ihre EDV-Kosten selber finanzieren müssen. Die eben nicht die Bekanntheit eines 14 Jahre amtierenden Chefredakteurs zweier österreichischer Qualitätszeitungen haben. Journalismus – ob für Papier oder Netz – ist aber eine kostspielige Sache. Soll ein Journalist unabhängig recherchieren – noch dazu gegen die Widerstände von Desinformanten, PR-Agenturen, Datenschutz und Amtsgeheimnis – und nicht bloß PR-Texte transportieren, braucht das Zeit und sehr gute Qualifikation.

Zum Leidwesen der Verlage verlangen solche Journalisten aber einen Lohn für ihre Tätigkeit. Heute weiß jedoch in Wahrheit kein Verlag mehr, wie diese Lohnkosten in zehn oder zwanzig Jahren finanziert werden können. Da würde auch die notwendige und diskutierte Mäßigung des vor allem für ältere Journalisten viel zu teuren Journalisten-Kollektivvertrags kaum etwas ändern.

Das Internet ist aber noch in einer anderen Hinsicht sehr gefährlich. Es ist eine ununterbrochene Quelle von bewussten Falschmeldungen, von als Information getarnter Werbung, von anonymisiert daherkommender Propaganda, von Scherzen pubertierender Jünglinge. Die immer wieder vorkommenden Missbräuche von Wikipedia sind Legion. Der Glaube mancher Publizistik-Professoren, dass die Millionen unterschiedlicher Beiträge im Netz die Demokratisierung der Wahrheitssuche bedeuten, hat sich wegen dieser vielen Missbräuche längst als Fiktion erwiesen.

Qualitäts-Journalismus

Journalismus ist eine grundrechtlich geschützte Tätigkeit. Aus gutem Grund haben Nachtlokal-Besitzer keinen spezifischen Schutz. Dass der Grundrechtsschutz (Meinungsfreiheit, Redaktionsgeheimnis) auch reinen Unterhaltungsmedien zugute kommt, ist nicht unproblematisch. Jedoch lässt sich Unterhaltung nie scharf von Information trennen. (Was ist etwa die Nachricht, dass Paris Hilton in Südafrika Drogen konsumiert haben soll?)

Qualitäts-Journalismus bedeutet jedenfalls mühsame Knochenarbeit und Auswahl unter den Millionen Ereignissen, die jede Minute passieren. Das kann nur gelingen mit viel Wissen und Erfahrung, mit Vergleich und Bewertung. Er besteht in persönlicher Verantwortung einer Redaktion, der ein Konsument – oft nach langer Suche – sein Vertrauen schenkt, dass er dort täglich das für ihn Wichtigste zusammengestellt findet; dass dort nicht allzu viele Fehler passieren; dass er auch das an Interessantem findet, wonach er eigentlich gar nicht direkt gesucht hat; und dass das alles auf einem intellektuellen Mindestniveau analysiert und kommentiert wird.

Natürlich passieren auch seriösen Journalisten Fehler; aber solange eine Redaktion frei arbeiten kann, sorgt die Kontrolle im Team dafür, dass sich die Fehler eines Journalisten meist nicht zum systematischen Fehler entwickeln. Den es im Internet schon gibt. Im Internet kursieren Unwahrheiten mit einem Tempo, dass keine Quellenkontrolle mehr möglich ist. Im Internet gibt es niemanden mehr, der dem Kunden als Vertragspartner eines (Zeitungs-)Kaufvertrags zumindest symbolisch für größtmögliche Bemühung um Wahrheit haften könnte. Letztlich ist dort alles anonym, alles manipulierbar. Information ist wie bei einem Gratisblatt nur noch billigst hergestelltes Beiwerk. Oder gar Propaganda.

Vertrauen verspielt

Freilich haben auch die klassischen Medien, Zeitungen, Radio, Fernsehen, einschließlich vieler Qualitätsprodukte trotz ihrer ethisch und demokratiepolitisch wichtigen Aufgabe leichtfertig Vertrauen verspielt:

  1. Sie haben sich in ihrer wachsenden Geldnot oder auch Gier von Inserenten kaufen lassen, die zunehmend auch den publizistischen Inhalt beeinflussen.
  2. Sie trennen immer weniger erkennbar zwischen bezahlter Werbung und PR und Inhalten, welche die Redaktion in eigener Freiheit und Verantwortung erstellt.
  3. Sie haben im Kampf um die Leser selbst ständig das Niveau gesenkt, ohne zu erkennen, dass das lauter Pyrrhus-Erfolge sind, welche die Leser langfristig noch mehr vertreiben. Sie haben statt auf Information und Analyse auf Unterhaltung, Voyeurismus und billigen Gaumenkitzel gesetzt. Sie haben sich damit aber letztlich selbst langfristig überflüssig gemacht. Denn irgendwann wird jeder oberflächliche Gaumenkitzel schal.
  4. Korrekte Recherchen werden in Anbetracht der Personalnot auf der einen Seite und perfekter PR-Agenturen und Spin-doctoren auf der anderen immer seltener.
  5. Viele Medien haben sich auch in ein immer engeres Netz von Political correctness binden lassen, was ihnen immer mehr Glaubwürdigkeit genommen hat. Demgegenüber hat die geistige Anarchie des Internets offenbar eine befreiende Kraft.

Die öffentlich-rechtlichen Lösungen

Was also tun? Wenn sogar eine der weltweit besten Tageszeitungen, die New York Times, angesichts einer halben Milliarde Schulden im eigenen Blatt über öffentlich-rechtliche Rettungskonstellationen zu diskutieren begonnen hat, dann ist dieser Ruf aus dem Mutterland des Kapitalismus sensationell. Er ist aber ein absolut legitimer Gedanke: Denn Qualitätsmedien sind so wie Schulen und Universitäten, wie funktionierende Telekomverbindungen, wie eine saubere Verwaltung und gute Gerichte ein ganz entscheidender Standortfaktor. Was nur viel zu wenigen Menschen bewusst ist.

Die Qualität der Entscheidungen von mittleren und höheren Beamten, Managern, Unternehmern und Wissenschaftlern ist  signifikant besser, wenn diese Menschen täglich gut und umfassend über alles Relevante aus den unterschiedlichsten Bereichen informiert sind. Und dazu braucht man nun einmal die Redaktionen von Qualitätsmedien. Für den Kommunismus war das Fehlen freier Qualitätsinformationen zweifellos ein entscheidender Umstand, warum die kommunistischen Staaten in allen Feldern trotz gewaltiger Anstrengungen immer weiter zurückgefallen sind, in Wissenschaft und Wirtschaft, in Verwaltung und Forschung.

Es ist daher ordnungspolitisch absolut zu rechtfertigen, wenn neben Bildung, Forschung, Infrastruktur, Sicherheit und Justiz auch gute und unabhängige Medien als Standortfaktor staatlich unterstützt werden. Die oft üblen Folgen der Abhängigkeit der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten von der Politik zeigen aber, wie schwierig dieser Gedanke umzusetzen ist. Lediglich bei der britischen BBC scheint eine perfekte Konstruktion gefunden worden zu sein, die alle notwendigen Faktoren, also Qualität, Unabhängigkeit und Pluralismus sicherstellt.

Gut hat zumindest bisher die große Tradition privater Philanthropie in den USA funktioniert, also von unternehmerischer Verantwortung, von Spenden und Stiftungen, die neben dem Dschungel der seichten Unterhaltung Qualitätsprodukte wie CNN oder die diversen Public Radios hervorgebracht haben. In Deutschland und Italien gab oder gibt es im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zumindest Pluralismus; und zwar dadurch, dass das eine Programm links und das andere rechts geprägt ist. In Österreich sind im öffentlich-rechtlichen Radio hingegen alle Spuren von Pluralismus verschwunden.

Ein anderes, interessantes Beispiel zur Lösung der Problematik hat die ansonsten sehr bedenkliche Medienpolitik von Nicolas Sarkozy gebracht: Dort finanziert der Staat jedem 18-Jährigen ein Jahr lang ein Zeitungsabo nach Wahl. Gleichzeitig übernimmt der französische Staat einen Teil der Vertriebskosten für alle(!) Zeitungen. Gewiss will Sarkozy damit auch seinen Freunden helfen, aber die Idee scheint dennoch gut, weil sie keinen direkten inhaltlichen Einfluss nehmen kann und es weiter Wettbewerb gibt.

Die Rückkehr der politischen Macht

Frankreich ist aber gleichzeitig ebenso wie Italien und Russland ein Exempel für die allerschlimmsten Konsequenzen der Medienkrise: In all diesen Ländern ist der starke Mann nur durch massive Unterstützung großer Medienketten an die Macht gekommen beziehungsweise dort geblieben. Dominierende Medien gehören entweder seiner Familie oder seinen engsten Freunden, oder deren Eigentümer sind durch andere Verflechtungen und Begünstigungen (in Russland auch als Folge von Morden und gefährlichen Bedrohungen) total von der Politik abhängig.

Zweifellos tragen die wirtschaftlichen Nöte der Medien dazu bei, dass so viele Verleger so empfänglich für politische „Hilfen“ geworden sind, dass man sie heute im vollen Wortsinn als korrupt bezeichnen kann. Das hat zu einer getarnten Renaissance der lange gestorbenen Parteizeitungen geführt. Damit ist das goldene Zeitalter zu Ende, in dem sich Verlage und auch Redaktionen gerne in den Strahlen der eigenen Macht gesonnt haben, während die Politik vor ihnen gezittert hat. Wie es nur noch in England der Fall ist, wo die oft extrem untergriffigen Wahlkampagnen der Boulevardpresse als wahlentscheidend gelten. Dort hat die Politik noch – noch! - nicht die Kontrolle über die Medien zurückerobert.

Was sich in Österreich auf dem Printsektor abspielt, gleicht hingegen schon zunehmend den Beispielen Italien und Frankreich. Was vor allem von der Gemeinde Wien, aber auch Bundesländern wie Niederösterreich und Kärnten praktiziert wird, ist seit Werner Faymanns Wechsel in die Bundespolitik nun auch auf der Bundesebene üblich geworden, und zwar bei beiden Regierungsparteien: Mit Unmengen von Steuermitteln werden über Anzeigen bestimmte Zeitungen vorsichtig ausgedrückt freundlich gestimmt. Sowohl „Heute“ wie „Österreich“ hätten ohne die Inseratenteppiche von Ministerien, Rathaus, gemeindeeigenen Betrieben und ÖBB große Existenzprobleme.

Aber auch alle anderen – gefügigen – Medien werden bedacht. Zugleich sind an einigen Zeitungen geheim gebliebene Eigentümer über Treuhandlösungen beteiligt, was legal ist, aber im politisch sensiblen Medienbereich einen unglaublichen Skandal bedeutet. Umgekehrt geraten Chefredakteure unter Druck, denen die Anzeigenverkäufer vorwurfsvoll vorrechnen, wie viel Umsatz sie von gemeindenahen Unternehmen bekommen würden, wenn die Redaktion freundlicher über die Wiener Rathaus-Politik schriebe. Man findet beispielsweise im Kurier fast nichts und in der Krone schon gar nichts Kritisches über die Wiener SPÖ. Dafür viele schöne Rathaus-Inserate. Umgekehrt findet sich auf den mutierten Niederösterreich-Seiten dieser Zeitungen nichts Kritisches über Erwin Pröll und die Niederösterreich-ÖVP.

Bedrohte Medien, bedrohte Demokratie

Das ist insgesamt eine Situation, in der man sich nicht nur über die Medien, sondern auch über die Demokratie fundamentale Sorgen machen muss. Denn diese kann ohne freie und gute Qualitätsmedien nicht funktionieren. Dennoch macht in Österreich keine einzige Partei und keine Gruppierung die Medienfreiheit so wie die Revolution von 1848 kämpferisch zum eigenen Anliegen. Es ist zwar voll nachvollziehbar, wenn viele Menschen und Parteien Schadenfreude über die missliche Lage der oft so unsympathischen, charakterlosen und präpotenten Medien empfinden. Die Konsequenzen aus deren Krise treffen aber auch die Schadenfrohen.

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