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Griechische Dolchstoßlegenden

Nur wenige Tage hat es gebraucht. Und schon kursieren die ersten Dolchstoßlegenden: Die Amerikaner, "Spekulanten" und  eine Bank mit einem jüdisch klingenden Namen sind am Unglück Griechenlands schuld. Und nicht etwa die Griechen selbst, die weit über ihre Verhältnisse gelebt haben, die Löhne und Preise in den zehn Jahren ihrer Euro-Zugehörigkeit um 30 Prozent über das deutsche Niveau hinausgetrieben haben, und die damit in ihrer Gier einfach nicht mehr wettbewerbsfähig sind.

Am linken wie am rechten Rand hat man sich auf die diversen Dolchstoß-Thesen  gestürzt. Ganz rechts liebt man Goldman Sachs als Feindbild. Die griechischen Gewerkschaften wiederum beten neuerlich den dummen Spruch nach: Nicht wir, sondern die an der Krise Schuldigen sollen zahlen (Als ob nicht gerade die Gewerkschaften eine Hauptschuld an überhöhten Löhnen hätten).

Auf der europäischen Linken versucht man sich an jeden Strohhalm zu klammern, der von den wahren Fakten ablenkt: Die Bankrottgefahr eines Euro-Landes (und nicht mehr bloß die eines außerhalb oder gar in der Dritten Welt liegenden Staates) bedeutet nämlich das absolute Symbol des Scheiterns sozialdemokratischer Wirtschaftskonzepte, die allerdings auch von sehr vielen anderen Parteien ohne "S" im Parteinamen praktiziert worden sind.

Die Schlagworte dieser nun blamierten Theorien sind auch hierzulande nicht unbekannt. Sie lauten: Nicht Sparen, sondern das Schaffen von mehr Arbeitsplätzen würde Wirtschaft, Defizite und Schulden sanieren; daher müsse man die Defizite zuerst noch mehr vergrößern - aber auf dieses "zuerst" folgt nie ein "dann" des Schuldenabbaus.

Ein anderes beliebtes wie bequemes Schlagwort, das langfristig ebenfalls nach Griechenland führt: Man müsse durch höhere Defizite den Inlandskonsum ankurbeln, sonst erleide die Konjunktur Schaden.

Menschen mit gutem Gedächtnis haben hierzulande auch noch die sozialdemokratischen Sprüche im Ohr: "Nulldefizit-Fetischismus", "herzlose Politik mit dem Rechenschieber" oder: "Molterer sitzt auf dem Geld und gibts nicht her" (als eine Konjunkturverbesserung der Republik etwas höhere Einnahmen als erwartet gebracht hat, die aber noch längst nicht zu einem ausgeglichenen Haushalt ausgereicht haben).

Und wenn wir schon kurz von Griechenland nach Österreich abgewichen sind: Die Tatsache, dass sich die SPÖ besonders übel hervorgetan hat, dass sie unter Androsch die Schuldenexplosion hierzulande begonnen hat, dass sie das permanente Schuldenmachen als angeblichen Keynesianismus am stärksten ideologisiert hat, heißt nicht, dass die anderen Parteien unschuldig wären: Die FPÖ war ab Knittelfeld nie mehr zu nüchterner Sparsamkeit bereit. Bei den Grünen ist mit Alexander van der Bellen der wirtschaftliche Hausverstand in Pension gegangen.

Und auch in der ÖVP sieht es keineswegs sonderlich positiv aus: Da haben im ÖAAB manche die SPÖ durch Lizitationseskalation links überholen wollen; auch dem Wirtschaftskammerboss Christoph Leitl kann man zahllose Forderungen nachweisen, deren Erfüllung zu noch höheren Defiziten geführt hätten; und Josef Pröll gelang bisher nur verbal und immer nur für die Zukunft die Sparsamkeit: Die von ihm konkret vorgelegten Budgets sind hingegen bisher nur die Eintrittskarte in den Klub der Big spender gewesen.

Seit Ausbruch der PIGS-Krise (Portugal, Italien, Griechenland, Spanien) in den letzten Wochen ist die gesamte wirtschaftspolitische Konzeption der genannten Parteien bankrott. Das ewige Immer-mehr-Schulden-Machen hat ausgedient. Die billigen Soziale-Wärme-Sprüche haben sich angesichts dessen, was auf die Griechen jetzt zukommt, als extrem unsozial erwiesen.

Natürlich wird (noch) von vielen diese dramatische Bilanz verdrängt. Da versuchen etwa sozialdemokratische Regierungschefs wie Werner Faymann die anderen - also vor allem die Deutschen - dazu zu bewegen, den Griechen sofort dicke (freilich höchstwahrscheinlich uneinbringliche) Kredite zu geben, damit die noch immer nicht wirklich sparen müssen.

Da wird eine amerikanische Zeitungsmeldung über griechische Kredite bei Goldman Sachs, die nicht korrekt etikettiert gewesen sein sollen, sofort zur jüdischen Weltverschwörung hochstilisiert. Obwohl der bisher bekannte Vorwurf sehr kryptisch ist;  Obwohl der jetzige griechische Finanzminister diese Kredite von Vorgängerregierungen als nach den damaligen internationalen Usancen für rechtskonform bezeichnet.

Gewiss, das muß deswegen noch lange nicht stimmen - wer glaubt denn derzeit einem griechischen Finanzminister schon etwas? Aber Tatsache bleibt jedenfalls: Die schwere, das Land an den Rand des Untergangs treibende Überschuldung ist Griechenland zweifellos ganz aus eigenem eingegangen. Und auch die betrügerischen Falschmeldungen an die europäischen Statistikbehörden hat primär Griechenland zu verantworten. In der kolportierten Beihilfe einer amerikanischen Bank durch Falsch-Deklarierung eines (oder mehrerer) der aufgenommenen Kredite liegt sicher nicht die entscheidende Schuld. Auch wenn genau zu prüfen ist, ob da Rechtsvorschriften verletzt worden sind.

Noch dümmer sind jene selbsternannten Beschöniger der griechischen Fehler, die nun die Dinge so darstellen, als ob die armen Hellenen Opfer von "Spekulanten" wären. Absurd. Denn diese ökonomische Verhaltensregel gilt seit ein paar Tausend Jahren: Wenn ein Schuldner wackelt, wenn man unsicher sein muss, ob er seinen Kredit zurückzahlen kann, dann muss er höhere Zinsen zahlen als einer, der bombensicher wirkt.

Wer bei der normalen Bank keinen Kredit mehr bekommt, der muss zum Geldverleiher am Eck (ja, zu dem mit dem Geschäftsschild in Deutsch, Türkisch und Serbokroatisch) gehen und dem entsprechend mehr Zinsen zahlen. So wie jetzt die Griechen.

Wenn dieser Vorgang wirklich Spekulation  sein soll, dann ist auch die Republik Österreich ein Spekulant: Sie verlangt beispielsweise für ihr im Vorjahr etlichen Banken gegebenes Partizipations-Geld unterschiedliche Zinssätze: 8 Prozent, wenn die emfangende Bank auf den Märkten (also bei privaten Geldverleihern) noch kreditwürdig ist; jedoch 9,3 Prozent, wenn eine Bank das nicht mehr ist.

Wer solche Dolchstoßlegenden verbreitet, kann damit zwar seinen Katzenjammer ob geplatzter Ideologie-Träume verdrängen, aber die PIGS-Krise wird durch solche Verdrängungen nur noch schlimmer. Denn dadurch begreifen Länder wie Griechenland weiterhin nicht den Ernst der Stunde, und viele Griechen glauben dann noch immer ernsthaft, man könne die Katastrophe wegdemonstrieren.

Viele Osteuropäer haben übrigens schon im Vorjahr sofort die schmerzhaften Maßnahmen vollzogen, die den Griechen zum eigenen Schaden hinausgeschoben haben. Die Osteuropäer haben drastisch und schmerzhaft gespart und kommen dafür nun umso schneller aus der Krise. Aber im vom Wohlfahrtsstaat verweichlichten Süden Europas will man diese Notwendigkeit halt nicht wirklich wahrhaben.

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