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Herta gegen Karl: Das Match des Jahres

Eine Runde gescheiter Menschen, bei der auch ich dabei sein durfte, diskutierte dieser Tage, was denn 2009 das wichtigste Ereignis gewesen sein könnte. Da wurden viele der üblichen Verdächtigen genannt – bis dann jemand zur Überraschung aller sagte: Der Literaturnobelpreis für Herta Müller.

Zuerst löste das angesichts der seit Jahren zu beobachtenden Abwertung des Nobelpreises - infolge vieler mehr als seltsamer Ehrungen - Erstaunen aus. Doch zunehmend fand der Vorschlag Verständnis. Aus zwei Gründen.

Müllers Ehrung ist erstens eine Art globales Monument für eine 700-jährige deutsche Ansiedlung in Siebenbürgen, die dort eindrucksvolle kulturelle Leistungen schuf. Und die im 20. Jahrhundert blitzschnell zu einem Ende kam und praktisch nur noch steinerne Reste zurückließ. Das Ende der deutschsprachigen Kultur in Siebenbürgen erfolgte nicht wie in Polen, der Tschechoslowakei oder Jugoslawien durch brutale Vertreibung (für die es übrigens noch kein solches Monument gibt), sondern durch den gewaltigen Sog des deutschen Wohlstandes auf die Menschen Siebenbürgens (=Transsylvaniens). Dieser Sog leerte das Land binnen weniger Monate auf ganz sanftem Weg.

Dass ausgerechnet der deutschsprachige Bürgermeister von Hermannstadt (aus der winzigen Minderheit der im Land Gebliebenen) heute einer der populärsten Politiker Rumäniens ist, zeigt die zunehmende Anerkennung für die Kulturleistung der dortigen Deutschen. Auch wenn in vielen österreichischen Medien Hermannstadt nur noch als Sibiu vorkommt.

Dass die Menschen Siebenbürgens übrigens alle Altösterreicher beziehungsweise deren Nachfahren waren, nimmt hierzulande niemand mehr zur Kenntnis: Die Identität dieser Republik geht ja davon aus, dass sie 1918 irgendwie durch einen Urknall aus dem Nichts entstanden ist. Daher hat man sich logischerweise auch nicht um das Davor und dessen Danach gekümmert.

Noch mehr aber sind Müllers Bücher ein Monument für die 80 Millionen toten und Hunderten Millionen gequälten Opfer des kommunistischen Terrors. Derer (im Gegensatz zu den legitimerweise in ständiger Erinnerung gehaltenen Opfern des Nationalsozialismus) seit Alexander Solschenizyn kaum noch von einem weltweit bekannten Autor gedacht worden ist.

Müller verdeutlicht die Ängste und Schrecken, die der kommunistische Apparat jahrzehntelang bis ins Alltagsleben der Menschen hinein ausgeübt hat. Die bescheidene Frau ist damit ein wichtiger Gegenpol zur vorherrschenden linken intellektuellen Szene in Literatur, Universitäten und Medien geworden, die ja alle Spuren des zweiten großen Totalitarismus des vergangenen Jahrhunderts verwischen will.

Immerhin wurde in Deutschland gerade von der SPD nicht nur die Linke – also die direkte Nachfolgerin der Sozialistischen Einheitspartei der DDR – regierungsfähig gemacht, sondern in deren Reihen sogar Mitarbeiter der Stasi, also des unmittelbaren Folter-, Unterdrückungs- und Geheimdienstapparats der Ostkommunisten. Was aber offenbar niemanden mehr stört – während es noch immer Menschen die berufliche Existenz kosten kann, wenn sie über den Terror der Nationalsozialisten auch nur eine als relativierend interpretierbare Bemerkung machen (obwohl diese meist wie etwa beim darob gestürzten einstigen deutschen Parlamentspräsidenten Jenninger gar nicht so gemeint war).

Daher wurde auch im Jubiläumsjahr 2009 über die Vorgänge von 1989 sehr merkwürdig berichtet. Wohl wurde groß an den Mauerfall erinnert – aber irgendwie klangen die Berichte wie über ein Happening oder über das Oktoberfest. Die Vorgeschichte, das Warum und Woher wurden fast völlig ausgeblendet.

Kein Wunder, sind die Täter doch mitten unter uns, versuchen doch viele, die Ideologie von damals wiederzubeleben. Etwa mit Hilfe der absurden Behauptung, dass im Vorjahr auch die Marktwirtschaft genauso wie der Kommunismus gescheitert sei.

Daher wird insbesondere auch das wirtschaftliche Versagen des Kommunismus totgeschwiegen. Es ist genau das eingetreten, was schon am Beginn des 20. Jahrhunderts Exponenten der Österreichischen Schule der Nationalökonomie prophezeit haben: Sozialismus und Kommunismus (der politökonomische Unterschied ist ja meist nur ein semantischer) können nicht funktionieren: Wer den Markt verbietet, wer den Menschen die Freiheit des wirtschaftlichen Agierens nimmt, der verliert auch die wichtigste Funktion des Marktes: die Information, was die Menschen wollen, was ihnen die Dinge wert sind.

Ohne die Information aus dem Markt werden die Ressourcen unweigerlich falsch eingesetzt. Wenn die Menschen nicht auf dem Markt und mit ihrem Lohn ihre Bedürfnisse (neuerdings als „Gier“ gebrandmarkt) decken können, stellen sie auch das Engagement am Arbeitsplatz ein. Daher wird nur noch unter polizeilichem Druck gearbeitet (oder so getan, als ob man arbeitet). Daher führt die falsche Ökonomie des Karl Marx zwangsweise in einen Sklavenhalterstaat.

Die einzige sinnvolle Debatte ist in Wahrheit nur noch: Ist der Kommunismus zerbrochen, weil die Menschen wieder die Freiheit wollten, weil er ökonomisch gescheitert ist, oder einfach weil die Führer in Moskau ein schlechtes Gewissen hatten?

Doch all das wollen die Täter und ihre Sympathisanten gar nicht diskutieren, sondern nur noch verdrängen. Was ihnen in Österreich fast schon gelungen ist.

Daher ist Herta Müller ein so wichtiges Signal.

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